Thalkirchen:Aschenputtel im Winkel

Der Thalkirchner Platz ist größer und lebendiger geworden und nun ein Magnet für das Viertel

Von Jürgen Wolfram, Thalkirchen

Wo, bitte, geht's zum Thalkirchner Platz? Das weiß mitten in Thalkirchen niemand so genau. Nicht die Bäckereiverkäuferinnen in der Pognerstraße, nicht die Passanten in der Schäftlarnstraße - weniger als 100 Meter von dem seltsamen Ort entfernt. Einige ahnen immerhin die Richtung - "vermutlich auf dem Weg zum Tierpark". Offenbar hat sich die Existenz der Platzes nie richtig herumgesprochen, und schon gar nicht, dass er unlängst zum echten Zweiteiler aufgewertet wurde, wenngleich der Mündungsbereich von Pogner-, Schäftlarn- und Tierparkstraße eine dicke Trennlinie darstellt.

Der Thalkirchner Platz Nummer eins oder alt, den es seit Menschengedenken gibt, ist zugegebenermaßen von unscheinbarer Natur. Ein wenig Grün, ein U-Bahn-Nebeneingang mit Radlparkplatz, eine Litfaßsäule - das ist schon alles. Aber ein Straßenschild sowie Wegweiser im U-Bahnhof bezeugen unzweifelhaft seine eigenständige Rolle im Geflecht der Münchner Verkehrsflächen. Eine Art Aschenputtel unter den Plätzen, und doch nicht öde oder schäbig. Nur ein wenig im Winkel und manchmal verkehrsbedingt etwas lebhaft.

Der Kontrast zum neuen, auf nachdrücklichen Wunsch von Stadtviertelpolitikern, Burschenverein und Fieranten von der Stadt ausgewiesenen Thalkirchner Platz könnte größer nicht sein. Zwischen Schäftlarnstraße und Isarkanal erstreckt sich in sandigem Gelb ein breiter, lichter Pflasterstrand im Stil einer Piazza, der schon mal andeutet, dass in Thalkirchen viele naturnahe Freizeitfreuden locken. Nach anfänglichem Zetern, weil sie kostspielige postalische Veränderungen befürchtet hatten, wissen auch die Platzhirsche unter den Geschäftsleuten das Flair der Leichtigkeit inzwischen zu schätzen. Neueste Ansagen des Kommunalreferats lassen allerdings befürchten, dass das Hin und Her um die Platzbenennung und ihre Folgen noch nicht ganz ausgestanden ist.

Bei schönem Wetter ziehen manche Münchner, die da mit der U 3 oder dem 135er-Bus angekommen sind, gar nicht erst weiter an die Gestade der Isar, sondern machen gleich an Ort und Stelle Party. Nehmen sozusagen Platz auf dem Platz mit seinen wuchtigen Bänken, nachdem sie sich im "Isargärten"-Supermarkt mit Bier und Brotzeit eingedeckt haben. Vorglühen und Hauptglühen verschmelzen so flussnah zu einem ganz speziellen Thalkirchner Isarflimmern. Selten unterbrochen, zieht noch ein anderer Strom an dieser Szenerie vorbei - derjenige der Freunde des Tierparks Hellabrunn. Zu gewissen Zeiten wälzen sich die Zoobesucher auf die Thalkirchner Brücke zu wie Flutwellen in Zeiten der Schneeschmelze.

Schatten ist rar im rechteckigen Mikrokosmos des neuen, zweiten Thalkirchner Platzes, weil die gepflanzten Bäume noch von windiger Statur sind. Im Sommer herrscht erhöhte Sonnenstich-Gefahr, was anscheinend niemand zur Kenntnis nimmt. Wer den Hauch solider Gastronomie schätzt, lässt sich, von äußeren Einflüssen unbeeindruckt, im Freien an den Tischen der Backstube Wünsche nieder. Oder aber bei "Gelatobi", der Eisdiele mit dem legendären Zungenschmelz. Sie erinnert an eine riesige Holzkiste vom Stückgutfrachter und dominiert als Solitär die Nordecke des stets besenrein anmutenden Karrees.

Orientieren sich die Öffnungszeiten der Erfrischungsstation auch eher am schwankungsreichen Wetterbericht, so hat sie doch in kurzer Zeit den Status eines Stadtteiltreffs erlangt - genau das, was dem facettenreichen Viertel noch abging. Schräg gegenüber hilft das wahre Wahrzeichen Thalkirchens, die Wallfahrtskirche St. Maria, dem allmählich wachsenden Gefühl der Heimeligkeit im Wohnquartier "Isargärten" ein wenig nach.

Die anfängliche Leere des Platzes an der Schäftlarnstraße hat sich nach und nach mit Leben erfüllt. Donnerstags ist hier Wochenmarkt - eine willkommene Ergänzung des Angebots in den Verbrauchermärkten der Umgebung. Im Dezember vergangenen Jahres fand hier erstmals ein Christkindlmarkt statt, mit Chorgesang und Nikolausbesuch. Hauptveranstalter war der Thalkirchner Burschenverein, der überhaupt eine zentrale Rolle bei der Belebung des neuen Thalkirchner Platzes spielt. Ein weiterer Adventmarkt ist schon in Planung, und im Mai wird bei "Gelatobi" - ein Wortspiel, das sich aus Gelati für Eis und dem Namen des Betreibers, Tobias Steichele, zusammensetzt - ein Maibaum errichtet. Für Alexander Mock vom Vorstand des Burschenvereins Thalkirchen steht längst fest: "Dieser Platz ist für uns alle ein Gewinn."

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