Teure Beleidigung:Das Fleisch des Rechtsstaats

Einen Richter zu beleidigen ist teurer als einen Normalsterblichen zu beschimpfen, denn in seiner Person verdichtet "sich der Rechtsstaat zu Fleisch" - zumindest, wenn es nach einem Münchner Amtsrichter geht.

Alexander Krug

Die Beleidigung eines Richters muss härter bestraft werden als die Herabsetzung eines Normalsterblichen. Zu diesem Ergebnis kam ein Münchner Amtsrichter am Donnerstag in einem Verfahren, das seinen Ausgangspunkt bereits vor fünf Jahren nahm.

Teure Beleidigung: Eine Richter-Beleidigung wiegt schwerer - hier die Amtsroben der Richter des Bundesverfassungsgerichts

Eine Richter-Beleidigung wiegt schwerer - hier die Amtsroben der Richter des Bundesverfassungsgerichts

(Foto: Foto: dpa)

Angeklagt wegen Beleidigung war Gil M. Seit 2001 hatte der 44-Jährige in einer Vielzahl von Fällen vor allem Nachbarn auf das Gröbste beleidigt und sie schließlich sogar tätlich angegriffen. 2004 war Gil M. deswegen zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden.

Aus Sicht des Angeklagten war das ein Fehlurteil und er selbst unschuldig. Kaum war der Prozess vorbei, beschimpfte er den Richter schriftlich als "dreckiges Justizschwein" und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass der "schäbige Lump bald verrecken" werde.

Der Richter erstattete Strafanzeige, zu der sich dann noch weitere Anzeigen von Nachbarn gesellten, die ebenfalls aufs Neue beleidigt worden waren.

Eingebildete Bedrohung

Gil M. ist eine ziemlich problematische Persönlichkeit. Eine Psychiaterin bescheinigte ihm eine "schwere Persönlichkeitsstörung". Der Angeklagte fühle sich ständig bedroht und verfolgt und reagiere darauf aggressiv. Die Gutachterin sieht ""querulatorische Neigungen", die einer "Psychose" schon sehr nahe kommen.

Schon im Prozess 2004 war das Gericht daher von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit ausgegangen. Auch in dem neuerlichen Verfahren stand außer Frage, dass Gil M. krank ist und aus Sicht der Gutachterin dringend therapiert gehört. Eine Gesprächstherapie macht der 44-jährige Arbeitslose indes schon seit Jahren, doch Erfolge wollen sich nicht einstellen.

Uneinigkeit über den Status des Richters

Der Staatsanwalt beantragte für alle sechs Fälle eine einjährige Haftstrafe ohne Bewährung. Besonders strafverschärfend, so der Ankläger, müsse die Beleidigung des Richters gewertet werden, da er im "öffentlichen Rampenlicht" stehe. Verteidigerin Annette von Stetten sah dies ganz anders: "Auch einen Richter kann man nicht schwerer beleidigen als jemanden, der keiner ist."

Der Amtsrichter war jedoch anderer Meinung. In der "Person des Richters verdichtet sich der Rechtsstaat zu Fleisch", formulierte er. Wem Urteile nicht passen, der könne Rechtsmittel einlegen. Allein für die Beleidigung des Richters verhängte er eine Einzelgeldstrafe von 100 Tagessätzen. Insgesamt muss Gil M. jetzt 180 Tagessätze zu je 15 Euro bezahlen.

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