Terrorgefahr in München:Von Entspannung keine Spur

Das Oktoberfest ist ohne Anschlag über die Bühne gelaufen. Die Erleichterung der Münchner ist spürbar. Bei der Polizei kehrt aber noch kein Alltag ein, denn die Bedrohung bleibt.

S. Wimmer und K. Stroh

Tag eins nach der Wiesn 2009. Langsam kehrt München wieder in den Normalzustand zurück. Die Sperren rund um die Theresienwiese sind aufgehoben, auch am Bahnhof hat man die Gitterbarrieren verräumt und wieder alle Zugänge geöffnet. Allenthalben ist Erleichterung zu spüren: Trotz Terrordrohungen verlief die Wiesn friedlich. Für die Polizei in München allerdings bleibt die Bedrohungslage bestehen, von Alltag kann noch keine Rede sein.

Am Wochenende sind zwei neue Drohvideos aufgetaucht, in denen Islamisten erneut zu Gewalt gegen Deutschland aufrufen und einen "Sonntag im Oktober" nennen. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagt daher: "Die islamistische Bedrohung in unserem Land ist mit dem Ende der Wiesn nicht vorbei." Am Risiko eines Anschlags habe sich "nichts geändert". Im Gegenteil: Durch die beiden Videos werde der psychologische Druck auf hierzulande lebende Islamisten, einen Anschlag zu verüben, eher erhöht.

Polizei immer noch in Alarmbereitschaft Auch in München hat sich nach Ende der Wiesn die Einschätzung der Bedrohungslage nicht geändert. Der "Riesenaufwand" zur Absicherung des Oktoberfests sei notwendig gewesen, sagt Polizeivizepräsident Robert Kopp, "wir haben das Richtige gemacht". An ein entspanntes Zurücklehnen ist jetzt allerdings noch nicht zu denken. Die Polizeipräsenz an Bahnhöfen und am Flughafen bleibt erhöht, wie Herrmann kundtut. Der öffentliche Personennahverkehr sei, wie man in der Vergangenheit gesehen habe, "ein sensibler Bereich", sagt Kopp. Darauf werde sich die Münchner Polizei nun konzentrieren - mit einem verstärkten Aufgebot aus den eigenen Reihen und geschlossenen Einheiten. Uniformiert und in Zivil werden die Beamten in S- und U-Bahnen sowie an den Bahnhöfen unterwegs sein.

Eine Woche noch soll die Ausnahmesituation dauern, "wir planen in kurzen Abständen", sagt Kopp. Und: "Gegebenenfalls wird wieder überplant." Kaum ist die Wiesn vorbei, räumt Herrmann erstmals ein, wie ernst die Terrorgefahr war. "Wir hatten in den letzten Tagen erhebliche Sorgen", sagt der Innenminister keine 16 Stunden, nachdem die Zelte geschlossen worden sind. Er verspüre nun "große Erleichterung". Für die Wiesn hoffe er, "dass wir uns nächstes Jahr in einer anderen Situation befinden und dass dies nicht zum Regelfall wird". Etwas Positives nimmt Kopp aber mit: Man habe mit allen Verantwortlichen "an einem Strang gezogen", und bei den Bürgern sei das Vertrauen in ihre Polizei spürbar gewesen. Auch Herrmann glaubt, der Einsatz sei der freundlichen Beamten wegen für das Image der Polizei gut gewesen.

Keine Straftat begangen Von Vertrauen in die Polizei kann bei Marouane S. allerdings keine Rede mehr sein. Der 26-Jährige war in der vergangenen Woche zusammen mit Hatem M. in Polizeigewahrsam genommen worden. Es liege keine Straftat vor, so die Polizei, jedoch seien die beiden in einem "islamistisch, extremistisch-terroristischem Personenspektrum eingebunden" und sie könnten sich nach den Terrorvideos zu Straftaten aufgefordert sehen. Am Montag um 1 Uhr früh wurden die Studenten wieder auf freien Fuß gesetzt. "Mein Mandant ist schockiert, er begreift gar nicht, was passiert ist", sagt Rechtsanwältin Ricarda Lang.

Sie begreift allerdings auch nicht, wie eine Richterin die Ingewahrsamnahme bestätigen konnte, "ohne dass sie etwas gegen meinen Mandanten in der Hand gehabt hätte". Lang hat Strafanzeige gegen die Richterin gestellt. In ihrem Namen und im Namen ihres Mandanten. Und sie hat Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt. Bis das Landgericht darüber entscheidet, werden aber wohl noch Wochen vergehen. Und Herrmann gibt sich unbeeindruckt: "Die beiden stehen weiter unter starker Beobachtung der Sicherheitsbehörden."

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