Terrorgefahr auf dem Oktoberfest:Explosiver Unsinn

Es kursieren immer wildere Gerüchte über bevorstehende Anschläge auf das Oktoberfest - nicht gerade zur Freude der Polizei. Als wahr hat sich noch keiner der Hinweise erwiesen.

B. Kastner und S. Wimmer

Die Münchner beschäftigt die Wiesn wie lange nicht mehr, aber nicht etwa wegen der hohen Bierpreise, sondern aus Angst und Sorge. Die weiträumigen Absperrungen sind das eine, dazu kommen unzählige Gerüchte über einen angeblich unmittelbar bevorstehenden Anschlag. Die Behörden dagegen betonen wieder und wieder: Die Sicherheitslage ist unverändert, eine erhöhte abstrakte Gefahr gebe es zwar, aber keine konkreten Hinweise auf einen bevorstehenden islamistischen Terrorakt.

Terrorgefahr auf dem Oktoberfest: Die Gerüchteküche brodelt: Kommt es auf dem Oktoberfest zu einem Anschlag? Groteske Geschichten hierzu sind zuhauf im Umlauf.

Die Gerüchteküche brodelt: Kommt es auf dem Oktoberfest zu einem Anschlag? Groteske Geschichten hierzu sind zuhauf im Umlauf.

(Foto: Foto: ddp)

Robert Brannekämper ist Architekt von Beruf und Stadtrat, der breiteren Öffentlichkeit allerdings eher unbekannt. Plötzlich aber findet sich der Name des CSU-Politikers in unzähligen E-Mail-Fächern als Ausgangspunkt einer dramatisch klingenden Warnung: Meidet die Wiesn. Die E-Mail ist Teil jenes Unsinns, von entdeckten Bomben bis zum geräumten Zelt, der sich in den vergangenen Tagen in München verbreitet hat. Am Montag verschickte ein Freund Brannekämpers eine E-Mail an acht "Stammtischschwestern und -brüder": Laut Kreisverwaltungsreferat (KVR) sei "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" mit einem Anschlag auf der Wiesn zu rechnen, das habe ihm sein Trauzeuge Brannekämper gesteckt.

Angebliche Insider-Informationen Außerdem habe dieser ihn eindringlich gebeten, nicht mehr auf die Wiesn zu gehen. "Ich möchte Euch bitten, die Warnung sehr ernst zu nehmen", schreibt der Freund des Stadtrats. Die Stammtisch-Geschwister leiteten diese E-Mail wiederum weiter, und im Laufe ihrer Stationen wurde sie angereichert um angeblich weitere Insider-Information über eine höchst explosive Lage.

Brannekämper ist all dies überaus peinlich, seit Tagen ist er damit beschäftigt, die mit seinem Namen verbundenen Gerüchte zu stoppen. "Gschaftlhuberei" nennt er die Aktion seines Freundes. Er, Brannekämper, habe nur über die allgemeine Terrorgefahr mit ihm gesprochen; dass es nie hundertprozentige Sicherheit gebe, und dass er, der Freund, selbst entscheiden müsse, ob er auf die Wiesn gehe. Der Bekannte verschickte nach Aufklärung des Missverständnisses schnell ein Dementi an seine Stammtischbrüder, überschrieben mit "Entwarnung", doch die schaffte es nicht in die Welt hinaus.

KVR-Chef Wilfried Blume-Beyerle kennt solche Mechanismen, Märchen von anreisenden Terroristen etwa. "Das gehört zur Wiesn, das ist Standard." Das KVR jedenfalls habe keine Geheimwarnung an die Stadträte herausgegeben, auch das Teil der Gerüchte. Für den KVR-Chef ist die Lage klar: "Es gibt überhaupt keine Veränderung der Lage seit vergangenem Montag." Da begründete Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die Absperrung der Wiesn mit Terrorvideos, auf denen auch das Oktoberfest zu sehen war. Blume-Beyerle betont: "Es besteht kein Anlass zur Panik."

Auch Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer findet deutliche Worte: "Die Sicherheitsmaßnahmen, die wir ergriffen haben, reichen aus." Es gebe "keinerlei Anhaltspunkte", dass sich die Gefährdungslage verändert hätte. Die Gerüchte, dass ein Anschlag für den 3. Oktober geplant sei, extra BND-Leute nach München geschickt wurden oder ähnliches seien blanker Unsinn. "Hätten wir eine Bedrohungslage für den Feiertag, dann hätten wir unsere Maßnahmen auf diesen einen Tag beschränkt", sagt Schmidbauer. Und: Der BND sei noch nicht nach Berlin umgezogen und sitze sowieso in Pullach bei München. Die Horror-Geschichten um die Wiesn werden immer grotesker.

Dementis von der Polzei Polizeipräsident Schmidbauer kann alle dementieren: "Wir haben bislang keine einzige Bombe auf der Wiesn gefunden. Wenn dem so wäre, hätten wir das auch kaum verheimlichen können." Auch die Geschichte mit dem Geldbeutel, dem Araber und der Warnung, nicht auf die Wiesn zu gehen, werde den Beamten permanent von besorgten Anrufern erzählt. "Wir haben sogar Handynummer bekommen von Leuten, denen die Geschichte angeblich passiert ist", berichtet Schmidbauer. Doch alle Ermittlungen verliefen im Sande. Denn der vermeintliche Held der Geschichte entpuppte sich immer als Zwischenstation: Er habe die Geschichte auch nur von einem Freund gehört.

Unterdessen hinterfragen die Grünen im Stadtrat die Informationspolitik der Behörden: Warum wurden die Bürger erst am Montagmorgen über die neue Einschätzung unterrichtet, obwohl die Terrorvideos schon länger bekannt waren? Im Innenministerium weist man jede Kritik zurück: Die Absperrungen seien erst am Sonntagnachmittag beschlossen worden, versichert ein Sprecher.

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