Telefonüberwachung bei der Polizei:Führungskräfte abgehört

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Innenminister Herrmann (CSU) äußert sich zur Abhöraffäre. (Foto: David Ebener/dpa)

Von Abhören will Innenminister Herrmann nicht sprechen, lieber von dokumentieren. Das Ergebnis ist das Gleiche: Bei der Münchner Polizei wurden offenbar noch mehr Telefongespräche aufgezeichnet als bisher eingeräumt. Betroffen sind Sachbearbeiter und Führungskräfte.

Von Susi Wimmer

Bei der Münchner Polizei wurden offenbar noch mehr Telefongespräche aufgezeichnet, als bisher eingeräumt. Das geht aus einer Stellungnahme von Innenminister Joachim Herrmann hervor. Die Aufzeichnung der Gespräche diene "der Dokumentation von einsatzrelevanten Daten", erklärte er. Gleichzeitig räumte er ein, dass man nicht nachweisen könne, dass alle Mitarbeiter über die Maßnahme informiert waren. Die Grünen-Abgeordnete Susanna Tausendfreund, die eine Landtagsanfrage gestartet hatte, bezeichnete Herrmanns Antwort als unbefriedigend: "Man will das Abhör-Thema offenbar kleinhalten", sagte sie der SZ.

Wer die 110 wählt, der kann sich sicher sein, dass das Gespräch aufgezeichnet wird. Diese Vorgehensweise ist per Gesetz geregelt: Gespräche, die über Notrufnummern laufen, dürfen mitgeschnitten werden. Am Polizeipräsidium München sind die technischen Möglichkeiten aber viel weitreichender.

Wie Herrmann in seiner Antwort erklärte, kann die "Sprachdokumentationsanlage" im kompletten Dienstgebäude an der Ettstraße eingesetzt werden, und zu Zeiten des Oktoberfestes an drei Notrufapparaten in der Wiesn-Einsatzzentrale. De facto werden im Polizeipräsidium Telefone in der Einsatzzentrale, beim Kriminaldauerdienst sowie im Polizeiführungsstab überwacht.

Wobei Herrmann nicht von "überwachen" sprechen will, es gehe um "Dokumentation". Er räumte ein, dass in der Einsatzzentrale nicht nur Gespräche, die über die 110 hereinkommen, mitgeschnitten werden, sondern auch Telefonanschlüsse von Führungskräften und Sachbearbeitern "im operativen Bereich" abgehört werden.

Im operativen Bereich der Einsatzzentrale seien alle Mitarbeiter schriftlich über diese Maßnahme informiert worden, so Herrmann. Beim Kriminaldauerdienst (KDD) habe im Jahr 2009 der damalige Leiter das Thema mündlich zur Sprache gebracht. "Aufgrund der Personalfluktuation", so räumt Herrmann ein, könnte es schon sein, dass nicht alle KDD-Mitarbeiter davon wussten.

Interessant dürfte auch die Frage sein, ob die Gesprächspartner der Polizei, etwa Richter oder Staatsanwälte, darüber informiert waren, dass auf bestimmten Apparaten mitgeschnitten wurde. "Beunruhigend", findet Susanna Tausendfreund das Thema nach wie vor. Die Staatsanwaltschaft hat ein Prüfverfahren eingeleitet und vor etwa zwei Monaten das Münchner Präsidium um Stellungnahme gebeten, sagte Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch. "Aber bislang haben wir noch keine Antwort."

© SZ vom 04.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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