Technische Universität München:Wenn sich Dienstliches und Privates vermischen

An der Sport-Fakultät der TU ist die Amtsführung des Dekans ins Gerede geraten - es gibt Hinweise auf Unregelmäßigkeiten. Es geht um Nebentätigkeiten, die nicht korrekt abgerechnet worden sein sollen. Um Dienstreisen, die mit Urlauben verquickt wurden. Und um die Doktorarbeit der Ehefrau des Dekans.

Sebastian Krass

Seit 2007 ist Jürgen B. Dekan der Sportwissenschaftlichen Fakultät an der Technischen Universität (TU) München. B., der den Lehrstuhl für Sportpsychologie besetzt, hat von der Hochschulleitung den Auftrag, die Fakultät grundlegend zu modernisieren. Es ist ein konfliktreicher Prozess, der Unruhe und manchmal auch Unmut erzeugt. Doch der Reformprozess ist nicht der alleinige Grund für das angespannte Betriebsklima in der Fakultät. Immer wieder kommt die Sprache auch auf die Amtsführung des Dekans - und auf angebliche Unregelmäßigkeiten. Die könnten bald auch den TU-Präsidenten Wolfgang Herrmann beschäftigen.

Weitsprunganlage in der Zentralen Hochschulsportanlage TUM Campus im Olympiapark, 2011

Verdacht gegen den Chef: An der Sport-Fakultät der TU (hier eine Weitsprunganlage im Olympiapark) herrscht Unruhe.

(Foto: Catherina Hess)

Die Nebenjobs

Für Nebentätigkeiten von Uni-Mitarbeitern gibt es klare Regeln. Doch in der Sport-Fakultät kursiert der Verdacht, dass die Mitarbeiter des Lehrstuhls B. es mit der Trennung von Haupt- und Nebenjob nicht so genau genommen hätten und dass der TU ihr zustehende Gelder vorenthalten worden sein könnten. Eine Regel besagt, dass Uni-Mitarbeiter einen Teil ihrer Nebeneinkünfte an die Hochschule abführen müssen, wenn sie deren Infrastruktur für den Nebenjob nutzen.

Nach SZ-Informationen sollen die Mitarbeiter des Lehrstuhls immer wieder Büroräume, Technik und die Marke der TU genutzt haben, um unter dem Namen "Sportpsychologisches Zentrum" (SPZ) externe und privat abgerechnete Beratungen durchzuführen. Abgaben an die TU sollen ausgeblieben sein. Jürgen B. erklärt auf Anfrage, "Sportpsychologisches Zentrum" sei nur ein griffigerer Begriff für den Lehrstuhl, im Sinne der Außendarstellung. Das SPZ sei "nicht kommerziell tätig". Wenn er oder seine Mitarbeiter Nebenjobs nachgingen, finde das ohne Verbindung zur TU statt und "wird komplett privat abgerechnet".

Auf den Hinweis, dass es dennoch eine Vermengung von TU und privaten Nebentätigkeiten gegeben haben soll, erklärt ein TU-Sprecher: "Nach bisherigem Kenntnisstand gab es eine fehlerhafte Abrechnung mit TUM-Briefkopf, die einmalig gestellt wurde. Dies wurde von der Fakultätsverwaltung erkannt, abgestellt, alle Mitarbeiter wurden vom Lehrstuhlinhaber entsprechend belehrt."

Doch der SZ liegt ein Formular vor, das vermuten lässt, das SPZ sei doch kommerziell tätig gewesen. Das Formular ist überschrieben mit: "Erklärung über die Inanspruchnahme sportpsychologischer Leistungen". Unter den Logos von SPZ und TU kann sich ein Interessent für die "Durchführung (...) sportpsychologischer Maßnahmen" anmelden, "vereinbarter Betrag 101,20 Euro / 50 Minuten". Weiter heißt es, auf diesem Wege komme ein "Vertrag" zustande. Als Vertragspartner werden Jürgen B. sowie seine Mitarbeiterin, die inzwischen auch seine Ehefrau ist, genannt. Als Kontaktadresse ist die ehemalige Anschrift der TU-Sportfakultät angegeben.

Dieses Dokument stand bis vor einiger Zeit auf der Fakultätshomepage, ein Hinweis auf die Verbindung von TU und Nebentätigkeit.

Die Dienstreisen

Die Dienstreisen

B. und seine Frau gehen des öfteren gemeinsam auf Dienstreise, zu Konferenzen in den USA, etwa in Salt Lake City oder auf Hawaii, oder zu Vorträgen in Stellenbosch, Südafrika. Schöne Ziele zweifelsohne. Doch dem Betriebsklima in der Fakultät sind sie nicht unbedingt förderlich. Denn immer wieder verbinden sie Arbeitsaufenthalte mit Urlaub, was dienstrechtlich grundsätzlich erlaubt ist - wenn bei der Abrechnung sauber zwischen dienstlich und privat getrennt wird. Aus der Fakultät ist der Verdacht zu hören, bei B. und seiner Frau gehe es nicht immer ganz so genau zu.

Nach SZ-Informationen soll es in der Tat zu Unregelmäßigkeiten bei den Reisekostenabrechnungen gekommen sein. Auf eine schriftliche Anfrage zu konkreten Reisen erklärt zunächst der TU-Sprecher, es seien mehrere Stellen der zentralen Uni-Verwaltung eingeschaltet worden, um Reisebelege und Reiseabrechnungen zu prüfen und eine "genaue Antwort zu liefern". Fünf Tage nach der Anfrage schreibt B. unter anderem, dass er 2009 dienstlich in Südafrika gewesen sei und dass seine Frau ihn dabei privat begleitet habe. Sie habe diese Reise "komplett als Privatreise verbucht".

Nach SZ-Informationen soll B.s Frau aber für diese Reise etwa 850 Euro von der TU erstattet bekommen haben. Damit konfrontiert, setzte sich laut TU-Sprecher wieder die Verwaltungsmaschine in Gang, mit dem Ergebnis: Man habe sich geirrt. 2009 habe B.s Frau tatsächlich an der Universität Stellenbosch nahe Kapstadt "einen Vortrag zu ihrer Dissertation gehalten und dazu eine genehmigte Dienstreise angetreten". Die Reise sei für beide korrekt abgerechnet und erstattet worden, von Urlaub ist keine Rede mehr. Aber 2011 habe sie ihren Mann auf einer Dienstreise nach Südafrika privat begleitet und dies selbst bezahlt.

Bernd Rosenkranz von der Uni Stellenbosch, der B. und seine Mitarbeiterin damals eingeladen hatte, erinnert sich noch gut an den Besuch 2009 und an anregende Diskussionen. Allerdings sagt er, einen Vortrag an der Uni habe B.s Mitarbeiterin damals nicht gehalten. Mit dem Vortrag war jedoch ihre Dienstreise begründet, und auf dem angeblichen Vortrag basierte die Erstattung.

Die Doktorarbeit

Die Doktorarbeit

Im Jahr 2010 absolvierte B.s Mitarbeiterin und heutige Ehefrau erfolgreich das Promotionsverfahren der TU. Der Titel ihrer Doktorarbeit lautet "Motivationale Aspekte des Dopings im deutschen Hochleistungssport". Benotet wurde die Arbeit mit "magna cum laude", der zweitbesten Bewertung. Zudem wurde das Werk im selben Jahr vom Verein "Bund der Freunde der TUM", dessen stellvertretender Vorsitzender Uni-Präsident Wolfgang Herrmann ist, mit dem Promotionspreis der TU ausgezeichnet. Es wurde also zu einer der fünf besten Dissertationen des Jahres an dieser stolzen Elite-Uni gekürt. Dotiert ist der Preis mit 1500 Euro.

Doch auch bei der Promotion gibt es Merkwürdigkeiten, die um die Amtsführung des Dekans Jürgen B. und das angebliche Zusammenwirken mit seiner Mitarbeiterin kreisen. Auf Anfrage erklärt B. zunächst am Telefon: "Mit der Arbeit hatte ich nichts zu tun." Auf den Hinweis, er und die Doktorandin hätten im Jahr 2007 für ein Pilotprojekt zu just dem Thema der Doktorarbeit Fördergeld vom Bundesinnenministerium bekommen, räumt B. ein, er habe die Arbeit anfangs betreut, aber sofort abgegeben, als zwischen seiner heutigen Frau und ihm die private Ebene hinzukam.

Hauptbetreuer und dann auch Erstgutachter wurde daraufhin ein pensionierter Mitarbeiter des Lehrstuhls. Er war ein allseits beliebter Dozent im Institut. Über seine Forschungsaktivitäten und damit über seine Eignung als Gutachter hingegen ist, auch in der Fachwelt, wenig bekannt. Die TU erklärt, der Mitarbeiter sei "ein wissenschaftlich ausgewiesener Experte in der Motivationsforschung, dem Themenbereich der Dissertation" und Autor eines Lehrbuchs.

Das Werk "Grundlagen der Motivation" stammt von 1981. Eine Publikationsliste, die seine Forschungsaktivitäten seitdem belegen würden, liefert die TU trotz Anfrage nicht. Auch die Frage, wie viele Doktorarbeiten der Lehrstuhl-Mitarbeiter zuvor als Erstgutachter betreut hatte, bleibt unbeantwortet. Zur Frage, ob ein langjähriger Mitarbeiter B.s die Doktorarbeit der damaligen Lebensgefährtin des Dekans unabhängig begutachten könne, heißt es: Die TU habe "keinen Grund, an seiner Unabhängigkeit zu zweifeln".

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