Spezialeinheit:Wenn die Polizei in München tauchen geht

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Beweissuche im fünf Meter tiefen Isarkanal: Das Laub erschwert die Arbeit ein wenig. (Foto: Florian Peljak)

Beamte durchsuchen den Isarkanal nach Beweismitteln für eine außergewöhnliche Diebstahlserie. Doch erst einmal holen sie ganz andere Dinge nach oben.

Von Elisa Harlan

Ein letzter Check: Atemmaske sitzt, die Schläuche sind ordentlich angeschlossen und der Sicherheitsgurt ist richtig angelegt. Dann geht es für Polizeitaucher Wolfram Rohrbacher in die dunkelgrau-grüne Tiefe. Er arbeitet bei der TEE, der technischen Einsatzeinheit der Polizei, die bei schwierigen Fällen um Hilfe gebeten wird. Dieses Mal geht es um eine durchaus außergewöhnliche Diebesserie: Im Sommer war eine Bande mit sechs Mitgliedern im Tegernseer Tal unterwegs. Dort brach die Gruppe immer wieder in Hotels und Pensionen ein und erbeutete gut 40 000 Euro. Anfang November sind drei Männer und eine Frau festgenommen worden, zwei mutmaßliche Täter sind noch auf der Flucht.

Das Suchen im tiefen Wasser ist eine Sisyphusarbeit

Die Arbeit der Polizei geht also weiter: Sie sucht nun im trüben Isarkanal nach Beweismitteln wie einem Hebelwerkzeug, mit dem man Türen aufstemmen kann. Rohrbacher lässt sich langsam ins Wasser gleiten. Eine ältere Dame in weißer Daunenjacke und ihr Mops schauen von der anderen Uferseite aus zu. Auch Wolfgang Hering schaut zu. Er ist Tauchergruppenführer aus Dachau und trägt einen dunklen Ganzkörperanzug mit selbstaufblasbarer Schwimmweste um den Hals, Funkgerät und Dienstwaffe stecken im Gürtel. Er taucht heute zwar nicht selbst, aber am glitschigen Ufer ist die Sicherheitsweste Pflicht. Er weiß um die Wichtigkeit seiner Arbeit: Ohne bestimmte Beweismittel und DNA-Spuren könnten viele Fälle gar nicht erst aufgeklärt werden.

In dem Polizei-Schlauchboot sitzen meist drei bis vier Taucher: ein Leinenführer, der Taucher selbst und ein Rettungstaucher, der im Notfall sofort seinem Kollegen zu Hilfe schwimmen kann. Hering passt gut auf seine Mitarbeiter auf. "Wenn sie erkältet sind, dürfen sie auf keinen Fall tauchen. Da kann wegen dem unterschiedlichen Druck schnell das Trommelfell verletzt werden", sagt er. Am Isarkanal herrscht heute keine starke Strömung, ungefähr einen halben Meter pro Sekunde. Bei zwei bis drei Metern Sichtweite ist das Suchen eine Sisyphusarbeit. Keinen Staub aufzuwirbeln ist jedenfalls das Ziel eines jeden Tauchers, erklärt Hering.

Sitzt alles? Die Ausrüstung wird angelegt und von der Kollegin überprüft. (Foto: Florian Peljak)

Vier gespannte Seile, die an Bäumen am Ufer befestigt sind, halten das Boot an seiner Stelle. Der Isarkanal ist etwa fünf Meter tief, der Boden ist aus Beton, das ist praktisch für die Suche. An einem Seil befestigt, das mit dem Leinenführer verbunden ist, bewegt sich Rohrbacher wie ein Pendel Stück für Stück in Richtung Flusslauf. Nur so kann ein exaktes Raster gelegt werden über die Fläche, die abgesucht werden soll. Dabei muss das Seil immer gespannt bleiben. Gute Taucher nutzen die Strömung aus und legen sich so gut in das Wasser, dass sie viel Energie sparen. Die Luftblasen verraten, wo sich Rohrbacher befindet. Über eine Art Telefon können Taucher und Leinenführer miteinander sprechen . Manchmal wird auch mit einem Sonargerät gearbeitet, das wie ein Echolot unter Wasser Schallgeräusche aussendet und Erhöhungen des Bodens anzeigt. Ein solches Gerät kommt meist zum Einsatz, wenn die Polizei größere Objekte, wie einen menschlichen Körper oder ein Auto sucht.

Das Schwierigste ist die Bergung von Leichen

Hering betont: "Wir sind keine Rettungstaucher, wir bergen Menschen und Dinge." Besonders die Suche nach Leichen könne die Taucher seelisch belasten. Besonders schlimm seien die Fälle, in denen nach einem Kind gesucht werde. Manchmal seien die Körper so stark verwest, dass eine Sicherung der DNA schwierig sei. Tatsächlich lassen sich jedoch auch an Gegenständen, die lange im Wasser waren, zum Beispiel an Messern, noch DNA-Spuren finden, wie Hering erklärt.

Nach 75 Minuten ist Schluss, Hering holt seinen Taucher aus dem Wasser. Die Kollegen befestigen eine Metall-Leiter auf dem unebenen Ufergras. Rohrbacher zieht sich langsam hinauf, er bewegt sich schwerfällig wie ein Astronaut. Die Ausrüstung wiegt bis zu 40 Kilogramm. Er zieht die Maske vom Kopf: Ein roter Striemen ist dort zu sehen, wo die Brille auf die Haut gesaugt war. Dieses Jahr hat er drei Tote geborgen. Das belaste ihn jedoch nicht, erklärt er. "Doch ich weiß natürlich, dass es Kollegen gibt, die das nicht mehr aushalten können", sagt er. Ob die Gegenstände, die Rohrbacher heute hervorgeholt hat, zur Aufklärung des Falles beitragen, ist zweifelhaft: Ein Rucksack mit Schlamm gefüllt, ein rotes Küchenradio, eine silberne Suppenschüssel und ein blecherner Ring gehören zur Ausbeute.

© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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