Tattoos:Würden Sie sich tätowieren lassen, ohne vorher zu wissen, wie?

Der gebürtige Münchner Monty Richthofen macht genau das, sein Projekt heißt "My Words Your Body" - und er findet sogar Leute, die mitmachen.

Von Amelie Völker

Monty Richthofen alias Maison Hefner, 23, gebürtiger Münchner, tätowiert Menschen Sprüche auf den Körper, ohne dass diese wissen, welche Message ihnen da für immer bleiben wird. Für seine Performance "My Words Your Body" bereist er seit Februar 2017 die Welt. Das Projekt kam so gut an, dass er es nach wie vor weiterführt. Monty beendet gerade sein Studium "Performance: Design and Practice" an der Central St. Martins Kunsthochschule in London. Diesen Sommer verschlägt es ihn und seine Tätowierausrüstung auch wieder zurück in seine Heimatstadt.

SZ: "My Words Your Body" ist ein außergewöhnliches Projekt. Wie ist es entstanden?

Monty Richthofen: Ich habe schon immer eigene Sprüche tätowiert. Irgendwann wurde mir das aber zu monoton und ich habe nach einer neuen Herausforderung gesucht. Über Instagram habe ich dann Leute dazu aufgefordert, mir blind zu vertrauen und sich basierend auf einer Konversation tätowieren zu lassen, ohne dass sie wissen, was sie bekommen. Viele fanden die Idee interessant und wollten ein Teil davon sein.

Basierend auf einer Konversation?

Der Ablauf ist so: Ich bekomme die Tattoo-Anfragen per E-Mail, und schon an der E-Mail sehe ich, ob diese Person bereit ist für die Performance oder nicht. Wenn ich ein gutes Gefühl habe, treffen wir uns und führen ein kurzes Gespräch. Ich frage, warum sie auf mich zugekommen ist, was Vertrauen für sie bedeutet und warum sie mir vertraut. Und wenn ich dann merke, dass diese Person immer noch bereit ist, geht das Gespräch weiter. Ansonsten breche ich das Ganze ab. Die Person muss sich gut mit mir fühlen und umgekehrt genauso. Wie gesagt, es geht vor allem um Vertrauen.

Wie oft werden diese Vorgespräche abgebrochen?

Das kommt tatsächlich gar nicht so oft vor. Aber ich habe auch gelernt, Nein zu sagen. Wenn ich zum Beispiel merke, dass die Person gerade vom Feiern kommt und mental nicht so ganz bei sich ist, dann bin ich ganz ehrlich und sage ab.

Es geht hier immerhin um einen irreversiblen Prozess.

Wie entscheidest du, was du wem tätowierst?

Die Gespräche entwickeln sich meist schnell in eine bestimmte Richtung. Da geht es nicht ums Wetter. Es geht zum Beispiel um Tod oder um Liebe. Ich mache mir im Kopf Notizen. Nach dem Gespräch setze ich mich hin, blättere durch meine Notizbücher und irgendwann macht es "Klick" und ich weiß, was ich tätowieren werde.

Notizbücher?

Ja, ich sammle meine Sprüche in Notizbüchern. Ich habe fünf fertige solche Bücher, in denen ich Gedanken, Reflexionen, Selbstanalysen, Observationen oder auch Teile von Gesprächen festgehalten habe.

Was sind das für Menschen, die einen solchen Tattoo-Wunsch äußern?

Leute aus aller Welt und allen sozialen Gruppen und Hintergründen - Kreative, Ärzte, Models oder auch Ex-Soldaten. Die meisten Menschen kommen wahrscheinlich deshalb zu mir, weil sie das Ganze als eine Art Therapie sehen. Sie können sich einem Außenstehenden öffnen und gleichzeitig ihre Geschichte in einem Tattoo verarbeiten. Denn das Tattoo ist ja sozusagen das Produkt unseres Gesprächs.

Gab es schon mal Stress, weil jemandem sein Schriftzug-Tattoo nicht gefallen hat?

Nein, das ist noch nicht vorgekommen. Ich nehme mir viel Zeit und habe inzwischen eine ziemlich gute Menschenkenntnis, was zu wem passt. Ich habe ja auch nicht das Bedürfnis, irgendjemandem einen doofen Spruch zu tätowieren. Dafür habe ich genügend Freunde, mit denen ich das machen kann (lacht).

Deinen Körper zieren selbst unzählige Tattoos. Hast du auch ein Tattoo, von dem du davor nicht wusstest, was genau es werden würde?

Klar, aber das sind eher abstrakte Zeichnungen, ohne Konzept dahinter. Aber ich finde es schade, dass das kein Tätowierer wirklich so macht wie ich. Sich erst einmal hinsetzt und ein Gespräch führt, um herauszufinden, was der Kunde eventuell braucht. Die Auseinandersetzung fehlt oft. Dadurch entstehen dann Werke, die weder der Vorstellung des Kunden, noch des Künstlers entsprechen.

Dein Lieblingstattoo aus diesem Projekt?

Am besten gefallen mir die Tattoos, bei denen die Platzierung perfekt mit dem Kontext des Schriftzuges übereinstimmt. Zum Beispiel habe ich einem Mann, der früher mal eine Frau war und sich umoperieren hat lassen, den Schriftzug "I am not who they promised you I was" auf den Solarplexus tätowiert. Direkt darüber sieht man noch die Narben von der geschlechtsumwandelnden Operation.

Was ist der Reiz an "My Words Your Body"?

Vor allem meine Neugierde an Menschen. Ich lerne total gerne neue Menschen und ihre Geschichten kennen. Und ich führe nicht so gerne Small Talk. Wenn ich mich mit jemandem unterhalte, dann richtig. Es geht bei dem Projekt auch darum, sich zu öffnen. Und ich glaube, das ist es auch, was der Generation Internet momentan fehlt. Diese Intimität im echten Leben. Im Internet kann man sich schnell öffnen, aber das, was die anderen sehen, ist nur eine Art Fassade. Sich jedoch einer fremden Person wirklich zu öffnen, sich verletzbar zu zeigen und ihr zu vertrauen, kommt immer seltener vor. Und das reizt mich so sehr an meinem Projekt. Und natürlich auch, dass diese Menschen dann meine Worte mit sich hinaus in die Welt tragen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: