Tassilo Kulturpreis der SZ:Schwäche macht sympathisch

Tassilo Kulturpreis der SZ: Menschen im Hotel: Sein Geld verdient Michael Mauder an der Rezeption eines Münchner Hotels. Kein schlechter Platz für den Comedian, der immer einen Notizblock dabei hat, um Beobachtungen zu notieren.

Menschen im Hotel: Sein Geld verdient Michael Mauder an der Rezeption eines Münchner Hotels. Kein schlechter Platz für den Comedian, der immer einen Notizblock dabei hat, um Beobachtungen zu notieren.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Als Stand-up-Comedian auf der Bühne hat Michael Mauder kein Problem damit, sich bloßzustellen. Der 24-Jährige hat Großes vor: Mit eigenen Shows will er die Comedy-Szene in München voranbringen

Von Lena Schnelle, Sendling

"Auf der Bühne bin ich eine Rampensau, privat nicht", sagt Michael Mauder. Irgendwann nicht mehr auf einer Bühne zu sein, ist für den 24-Jährigen unvorstellbar, weil er schon immer im Scheinwerferlicht stand: entweder als Schauspieler, als Schlagzeuger in einer Metal-Band oder eben jetzt als Stand-up-Comedian. Stand-up-Comedy bedeutet, ohne Requisiten, Einspieler oder Musikinstrumente zu arbeiten. "Du bist nur du. Du hast nur deine Stimme und Körpersprache, und damit schaffst du es im besten Fall 120 Minuten lang, Leute zum Lachen zu bringen", so beschreibt er es. Sein Traum sei es, ein zweistündiges Solo-Programm zu spielen. Doch bis dahin ist es noch weit für den jungen Sendlinger.

Dabei hat Mauder einen Raketenstart hingelegt: Seit Mai 2016 hatte er mehr als 80 Auftritte. Er war schon immer fasziniert von der Stand-up-Comedy und allem, was dahintersteckt. Irgendwann dachte sich dann: Jetzt probierst du es mal aus! Um aber nicht vor Leuten spielen zu müssen, die er kennt, suchte er sich Stuttgart aus. "Wenn du eine Gitarre hast, hast du ein Schutzschild. Als Stand-up-Comedian stellt man sich bloß. Da muss man auch ein bisschen Schwäche zeigen, um sympathisch zu werden", weiß der 24-Jährige mittlerweile. Er hat Erfahrungen gesammelt. "Es ist in meinem letzten Jahr so viel passiert wie noch nie in meinem Leben. Ich bin ein ganz anderer Mensch geworden", sagt Mauder. Durch die Bestätigung, die er auf der Bühne bekomme, sei er viel selbstbewusster geworden. Früher habe er sich beim ersten Rückschlag auf sein Zimmer zurückgezogen. Heute probiert es einfach noch mal, reagiert auf Kritik, feilt an seinem Programm.

Bei seinen Auftritten erzählt er von sich selbst, zum Beispiel von seinem Dasein "als langjähriger Single in einer Welt, wo Leute ständig neue Beziehungen eingehen". Oder von seiner Arbeit im Hotel. Michael Mauder arbeitet als Vollzeit-Kraft an der Rezeption des temporären Hotels Lovelace an der Kardinal-Faulhaber-Straße. Dort trifft er auf die unterschiedlichsten Menschentypen. Das baut er natürlich in sein Programm ein. "Je mehr Arbeit du reingesteckt hast, desto weniger denken die Leute, dass du hart gearbeitet hast", erklärt er. Wenn ihm eine Idee kommt, notiert er zwei, drei Sätze in seinem kleinen Notizbuch, das er immer in seiner rechten Jackentasche mit sich trägt. Zuhause schreibt er sich Stichworte auf und spricht die Nummer für sich durch. Dabei nimmt er sich mit dem Handy auf, um die Zeit zu stoppen. Die Nummer ist dann noch sehr roh. Deswegen testet er sie bei seinem nächsten Auftritt. Zuhause hört er sich die Aufnahme an und schaut, was funktioniert hat und was nicht. Kleine Schnipsel seines Programmes lädt der 24-Jährige auf einem Youtube-Kanal hoch.

Vor seinem Auftritt läuft Mauder hinter der Bühne Kreise, um konzentriert zu sein. Nicht nur der Text und die Körpersprache sind bei Stand-up-Comedy wichtig, sondern auch das Publikum. Er weiß vorher nie, wie die Leute im Saal drauf sind. Weil der erste Eindruck zählt, muss der Einstieg passend sein. Sehr hilfreich sind Leute, die als erste lachen und andere mitziehen. "Es ist für mich ein großes Kompliment, wenn jemand am Ende zu mir kommt und sagt, er fand es voll lustig", erzählt Mauder.

Eigentlich hat Michael Mauder Geologie studiert, aber er merkte, dass ihm das Studium nichts bringen würde. Also hat er aufgehört. Im vergangenen Jahr war er in ganz Deutschland unterwegs, denn wer als Stand-up-Comedian Erfolg haben will, muss ganz viel spielen. Wenn man allerdings wie er in München aufwächst, ist das nicht so einfach. "Die Comedyszene hier wächst langsam", beobachtet er. "Im Vergleich zu Hamburg oder Berlin ist in München nichts los. Ich will, dass es in meiner schönen Heimatstadt aber auch Comedy gibt." Deswegen ist er gerade dabei, eine Comedyszene zu kreieren. Für die Anfänger gibt es "Das Comedy Sprungbrett - Open Stage" an der Münchner Freiheit und "Ja & Weiter - Open Mic" im Schwabinger Holzkranich.

Außerdem hat Michael Mauder in diesem Januar zwei eigene Mixed Shows auf die Beine gestellt: "Stand Up Underground" und den "Sonntag Abend Brunch". Im Sendlinger Zehner Club präsentiert er als Moderator von Stand Up Underground vier Comedians aus dem Großraum München und einen Newcomer. Auch als Moderator hat er viel zu tun: Er muss schauen, dass die Stimmung gut ist. "Der erste Comedian darf nicht die Arbeit haben, das Publikum warm zu kriegen", sagt Michi Mauder, "das ist mein Job." Als Moderator kann er sein eigenes Programm ausprobieren, aber er steht selbst nicht im Mittelpunkt, Mauder geht es um die Gäste.

Der Sonntag Abend Brunch bei "Ars Musica" im Stemmerhof ist eine Comedy-Talk-Show nach dem Vorbild amerikanischer Late-Night-Shows. Mauder ist der Host, also der Gastgeber, und sein Kollege Pajo der Sidekick. Bei der Premiere an diesem Sonntag, 14. Januar, 19 Uhr, soll es um die Musikindustrie gehen. "Man sagt immer, die Musik von heute klingt gleich", erklärt der 24-Jährige. "Wir wollen darüber reden, woran das liegt oder ob das immer schon so war." Das Publikum soll nicht nach Hause gehen und nur gelacht, sondern auch etwas gelernt haben.

"Das wäre das Größte, wenn man in 20 Jahren ein Foto von mir herausziehen würde und sagen könnte, der war dabei und ist schuld daran, dass alle anderen Großstädte keine Comedy mehr haben", sagt Michael Mauder und lacht.

Vorschläge für den Tassilo-Preis können per E-Mail unter tassilo@sueddeutsche.de oder stadtviertel@sueddeutsche.de oder per Post an die Stadtviertel-Redaktion geschickt werden: Hultschiner Straße 8, 81677 München. Einsendeschluss ist Mittwoch, 28. Februar.

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