Tag der offenen Tür:Aufgeräumt

Lesezeit: 3 min

Zur Wiedereröffnung des Hildebrandhauses ist der Andrang groß. Das sanierte und inhaltlich neu konzipierte Domizil der "Monacensia" begeistert die ersten Besucher auch mit den Ausstellungen

Von Wolfgang Görl

Soeben erscheint Katia Mann, "Frau Thomas Mann", wie sie sich gelegentlich nannte, auf einem der vielen Bildschirme im Hildebrandhaus, und als Renate Jährling auf die Filmsequenz aufmerksam wird, blitzen Erinnerungen auf. "Die Katia habe ich noch persönlich kennengelernt." Irgendwann in den 1970er Jahren muss es gewesen sein, Katia Mann hat ihr damals ein Buch signiert. "Ich habe gestaunt, wie hell ihre Augen waren", erzählt Renate Jährlich. Weil Katia, die junge Katia, sehr dunkle Augen hatte, aber das ändert sich offenbar im Alter.

Renate Jährling ist am Freitagmorgen zusammen mit Anita Günther ins Hildebrandhaus gekommen, um das sanierte und inhaltlich neukonzipierte Domizil der "Monacensia", des städtischen Literaturarchivs, gleich am ersten Tag der Wiedereröffnung zu begutachten. Die beiden kannten das Haus schon vor der Sanierung, auch das war okay, aber "jetzt ist es besser genutzt". Viel mehr Platz haben die Besucher, die Räume sind heller und freundlicher, und in den diversen Bibliotheken, das freut Anita Günther besonders, gibt es gemütliche Sitzecken zum Schmökern. Die beiden Damen sind jedenfalls begeistert: "Es ist ein wunderbares Gebäude."

Durch die grüne Tür gelangten Adolf von Hildebrands Skulpturen nach draußen. (Foto: Stephan Rumpf)

Schon wenige Minuten nach Beginn des mit Führungen und Lesungen angereicherten Tags der offenen Tür (den es auch am Samstag und am Sonntag gibt) füllt sich das Gebäude, das der Bildhauer Adolf von Hildebrand gegen Ende des 19. Jahrhundert für sich und seine Familie am Isarhochufer in Bogenhausen errichten ließ. Geplant hat der Künstler das Haus selbst, der Architekt Gabriel von Seidl hat die Bauausführung übernommen. Wo es ging, hat man die Künstlervilla bei der Renovierung wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt, was bei den Besuchern, so ist allenthalben zu hören, bestens ankommt. "Sehr schön", sagt beispielsweise Günter Wünsche, der extra aus Geltendorf hereingefahren ist, um die aufgefrischte Monacensia-Villa als einer der Ersten zu inspizieren. Bislang kannte er nur die Außenansicht - und siehe da: Es lohnt sich, auch einmal hinzugehen.

Kurz vor Öffnung der Tore ist Elisabeth Tworek, die Leiterin der Monacensia, noch ein wenig nervös. Werden genug Leute kommen, wird die neue Konzeption angenommen? Hinter ihr liegen turbulente Jahre, in denen Pläne geschmiedet, Umzüge vorgenommen und Verhandlungen geführt werden mussten, damit das Hildebrandhaus zu einem, wie sie sagt, "Ort für alle Münchnerinnen und Münchner wird". Besonders stolz ist sie auf die Idee, eine Wand des "Damenateliers" im Obergeschoss, in dem einst Hildebrands Töchter Irene und Berta wirkten und das jetzt die München-Bibliothek beherbergt, zu beseitigen und damit den Blick freizugeben auf das große lichtdurchflutete Atelier des Meisters, an dessen Stirnseite die Privatbibliothek des Historikers und Thomas-Mann-Forschers Peter de Mendelssohn in den Regalen steht.

1 / 3
(Foto: Stephan Rumpf)

Das Hildebrandhaus wurde generalsaniert und inhaltlich neu konzipiert.

2 / 3
(Foto: Stephan Rumpf)

Viele Neugierige kamen zum Tag der offenen Tür der "Monacensia".

3 / 3
(Foto: Stephan Rumpf)

Das neu konzipierte Domizil begeistert die ersten Besucher auch mit den Ausstellungen.

So groß ist der Andrang am Morgen, dass die erste Führung durch das Gebäude in zwei Gruppen geteilt werden muss. Zu den interessantesten Räumen, die Stefanie von Welser von der Volkshochschule, vorstellt, gehört gewiss die Dauerausstellung "Literarisches München zur Zeit von Thomas Mann", die, ausgestattet mit Original-Exponaten wie dem New Yorker Schreibtisch von Oskar Maria Graf oder die Laute von Frank Wedekind, das Leben der Münchner Boheme-Literaten dokumentiert, von denen nicht wenige vor den Nazis ins Exil fliehen mussten. Für Wolfgang Voigt, der das Hildebrandhaus bislang nur von außen kannte ("Ich hab' mich nie reingetraut"), ein Grund, sich mal tiefer mit der Materie zu beschäftigen. Und was die Architektur betrifft, schwärmt auch er: "Sehr schön."

Wer die Dauerausstellung oder die Sonderschau "Mon Oncle", bei der es um Klaus und Heinrich Mann geht, besichtigen will, sollte Zeit mitbringen. Allein die historischen Filme, die es an jeder Vitrine zu sehen gibt, sind erstaunlich. Da gibt es zum Beispiel Aufnahmen eines Künstlerfests während des Faschings 1914, zu dem der Maler Walter Schnackenberg ins Odeon-Casino geladen hatte und bei dem es unter dem Motto "Im Tempel der Göttin Rati" überraschend freizügig zuging. Wem das zu lasziv ist, kann auf eher literarisch interessante Streifen umsteigen, etwa Thomas Mann in seiner "Poschi" samt Familie. Karl Reisch ist sogar aus der Gegend um Rosenheim angereist, um am Tag der offenen Tür im Hildebrandhaus teilzunehmen - und sich dann, wie er zugibt, auf dem Schwabinger Christkindlmarkt zu amüsieren. Zur Zeit liest er gerade eine Biografie über Alma Mahler-Werfel, da passt die literarische Vergangenheit Münchens gut dazu. Die Münchnerin Monika Abb, mit der Reisch über den Christkindlmarkt bummeln wird, kennt die Monacensia noch aus der Zeit vor der Renovierung. "Ich hätte mich fast nicht mehr zurechtgefunden. Die Räume sind jetzt größer, es gibt mehr Platz und mehr Licht."

"Sein Arbeitszimmer sah merkwürdig aufgeräumt aus", steht als Inschrift über dem Schreibtisch Frank Wedekinds. Prima aufgeräumt ist jetzt auch das Hildebrandhaus, nicht zuletzt weil Ausstellungsgestalterin Katharina Kuhlmann wieder wunderbare Arbeit geleistet hat. Die Münchnerin Manuela Botas hat früher in der Nachbarschaft gewohnt, jetzt, nach der Sanierung, ist sie neugierig geworden. Wie es ihr gefällt? "Bitte, ich bin ja gerade erst reingegangen." Klar, erst einmal umsehen. Aber das Entree, in dem die Geschichte des Hauses und das mitunter traurige Schicksal seiner Bewohner dokumentiert ist, findet sie schon mal "toll".

© SZ vom 10.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: