Szene München:Wirte kämpfen gegen "Reservitis"

'Weinlaube' auf dem Münchner Oktoberfest, 2011

Bisher kannten Münchner Stehausschänke vor allem von der Wiesn. Das scheint sich jetzt zu ändern.

(Foto: Stephan Rumpf)

In München kann man sich kaum mehr irgendwo spontan auf ein Bier verabreden. Nun geht der Trend zurück zum Stehausschank. Gottseidank.

Kolumne von Andreas Schubert

Früher trafen sich Freunde des spontanen Biergenusses oftmals nicht in einem Gastraum, sondern holten sich eine oder mehrere Halbe im Stehausschank, der oft auch Gassenschänke genannt wurde. In München waren diese Stehausschänke schon lange ausgestorben, nur am Bratwurst Glöckl im Zentrum gab es so etwas noch.

Dass da offenbar etwas gefehlt hat, beweist nun eine Aktion des Giesinger Bräu. Die Brauerei sammelt gerade über das Crowd-Funding-Portal startnext.com Geld für einen Stehausschank und hat schon gut 56 000 Euro beisammen, deutlich mehr als zunächst angepeilt. Auch das Weinhaus Neuner hat in seinem umgebauten Vorraum kürzlich eine Schwemme mit Stehtischen eingerichtet, wo man nicht nur edle Weine sondern eben auch ein schnelles Helles auf die Hand bekommt.

Spontan gibt's Bier eigentlich nur an der Tankstelle

Das heißt jetzt nicht, dass auf einmal wahnsinnig viele Gäste Rückenprobleme haben und nicht mehr so lange sitzen können. Es bedeutet vielmehr, dass Wirte auf eine Krankheit in der Münchner Gastronomielandschaft reagieren: Die Reservitis.

In kaum einem Vorstadt-, geschweige denn in einem Innenstadtwirtshaus kann man sich mit mehreren Leuten noch verabreden, wenn man sich nicht vorab einen Tisch gesichert hat. Spontan geht meistens gar nichts. Was manchmal nur bleibt, ist, sich ein paar Biere an der Tankstelle zu holen und sich irgendwo im Freien niederzulassen - was diesen Sommer an viel zu vielen Tagen keine wirklich gute Idee war.

Deshalb ist die Rückkehr zur Tradition absolut begrüßenswert. Es hat auch einen Vorteil: Wer im Stehen trinkt, der wird nicht davon überrascht, dass beim Aufstehen die Beine promillebedingt nicht mehr so funktionieren wie sie das sollten - und schüttet sich vermutlich einfach weniger Biere rein. Vielleicht war das ja auch ein Grund, die Stehausschänke in der Vergangenheit dem Umsatz zuliebe abzuschaffen. Insofern kann man das Projekt Stehausschank glatt in die Kategorie Suchtprävention einordnen.

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