Szene München:Haltung - auch beim Feiern

Kneipe 'Geyerwally' in München, 2011

Das Problem ist die Attitüde, mit der die Pauls, Sophias und Linas in Boazn wie die Geyerwally einlaufen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Hip feiern, wo andere sonst beim Rüscherl sitzen. Das soll witzig sein? Ironie ist immer Flucht vor echter Haltung. Warum wir wieder mehr Haltung gebrauchen könnten. Auch beim Feiern.

Von Jakob Biazza

Es gibt Feiereinladungen, bei denen riechst du das Weißbier ja schon, bevor du überhaupt zugesagt hast: "Sophia und Lina werden 30 und mieten die Geyerwally". Zum Beispiel. Oder auch: "Paul geht nach Amerika und will vorher noch mal richtig feiern: Karaoke in der Hopfendolde, Oida!"

Das wäre sogar die verschärfte Variante, weil der Soundtrack des Abends auch gleich noch vor dem geistigen Ohr abläuft: Bryan Adams reibeist, wahrscheinlich gleich zweimal, weil es zu "Summer of 69" auch noch eine Ballade braucht, irgendeiner von den Austropoppern - leider eher nicht der Ambros - wird von Bergen und Herzen künden. Und gerade häuft sich das alles wieder. Das überrascht nun nicht sehr, es passiert schließlich zyklisch, aber was hilft das schon? Es ist ja jedes Mal falsch.

Wir und die. Ha, ha!

Und das wiederum muss man wohl erklären. Denn es ist freilich nix falsch an Wally und Dolde. Es hat sich auch beim vergangenen Einladungszyklus, als die Gruam noch eine echte Boazn war und das Albatros noch da, nichts gefehlt an den Läden. Das Problem ist die Attitüde, mit der die Pauls und Sophias und Linas dort einlaufen. Das Problem ist die Ironie: Hip feiern, wo die Leute sonst beim Rüscherl sitzen, das soll witzig sein. Vielleicht auch cool. Der Brechung wegen. Jung und alt, szenebewandert und stehengeblieben. Wir und die. Ha, ha!

Der Appell hinter diesem Text wäre jetzt also dieser: Lasst das! Bitte. In einer Boazn feiern, das ist wie Schnauzbart oder Birkenstocks tragen, wenn man kein frühpensionierter Studienrat im Griechenlandurlaub ist. Es ist überheblich denjenigen gegenüber, die das ernsthaft tun, und es unterwirft sich dem Diktat der Ironie, das immer noch so viel bestimmt. Ironie ist aber immer Flucht vor echter Haltung. Und wir könnten ja wieder mehr Haltung gebrauchen. Im Leben. Aber auch beim Feiern.

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