Szene München:Besinnlichkeit gesucht

Auf Christkindlmärkten in Adventsstimmung zu kommen? Ganz schwierig. Die einzige Rettung sind Kinder

Von Korbinian Eisenberger

Advent, möchte man meinen, heißt für viele Münchner, sich vom Büro hinaus in die Kälte vor einen Holzverschlag zu platzieren und lauwarme Brühe zu schlürfen. Der Komiker Markus Stoll alias "Harry G" nennt dieses Phänomen "Besinnungslosigkeit". Bei den Besuchern von Christkindlmärkten handle es sich um "die gleichen Hanswursten, die im September noch im Bierzelt gesessen haben". Stoll äußert sich meist ziemlich zugespitzt, doch schaut man sich in diesen Tagen auf dem Bogenhausener Weihnachtszauberwald um, oder - noch schlimmer - auf dem Marienplatz, man könnte fast meinen, der Mann hat im Prinzip recht.

Ist es im Advent mittlerweile tatsächlich ein bisschen wie auf der Wiesn? Geht's nur noch um Sauferei? Die Verknüpfung zu den Zelten des Oktoberfests mag gewagt erscheinen. Andererseits: Penetrante Musik, der man nicht ausweichen kann, gibt es hier wie dort. Und nimmt man als Maßstab, womit jeweils der meiste Umsatz gemacht wird, so kommt man bei der Wiesn auf literweise abgefülltes Bier - und beim Christkindlmarkt auf lauwarmen Wein. Nur dass der Glühwein-Schlürfer in der Regel keine Tracht und kein Kostüm trägt. Es sei denn, er ist ein verirrter Percht.

Bei den Standverkäufern sieht es da mitunter anders aus, man muss nur über den "Mittelalterlichen Weihnachtsmarkt" am Wittelsbacherplatz spazieren. Dort wimmelt es vor Verkäufern, die als Ritter oder Gaukler verkleidet sind. Mit Besinnlichkeit hat aber auch das wenig zu tun.

Doch dann gibt es doch noch so einen Moment: Vor einer Spielzeugbude mustern zwei Mädchen ein Burgfräulein-Kostüm. Daneben steht ein Bub. Er hat keine Punschtasse in der Hand, sondern einen Holzritter, den er fasziniert untersucht. Manchmal braucht es nur ein paar verzauberte Kinderaugen, um der Vorweihnachtszeit etwas abgewinnen zu können. Und der Ärger über das besinnungslose Spektakel verschwindet plötzlich. So ganz verkehrt sind sie halt doch nicht, die Münchner Christkindlmärkte. Auf diese Erkenntnis erst mal eine Tasse Feuerzangenbowle.

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