Szene München:Alte Freunde soll niemand kennen

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Feierngehen mit den alten Schulfreunden: Das kann nur übel enden. (Foto: Stephan Rumpf)

Old Fashioned statt Whisky Cola und anspruchsvoller Elektro statt Bravo-Hits. Alle angenehmen Vorteile des Erwachsenseins sind jedoch schlagartig dahin, wenn alte Schulfreunde zu Besuch kommen. Warum dann nur noch Sambuca hilft.

Eine Kolumne von Christiane Lutz

Das Schöne am Erwachsenwerden ist doch, dass man bestimmte Lebensphasen als vollendet betrachten kann. Man hat die Schulzeit überstanden, erfolgreich in WGs gelebt und sich seriös in der Welt der Großen positioniert.

Selbstverständlich würde man seinen männlichen Freunden heute auf Partys nicht mehr die Beine epilieren, nicht mehr zum Spaß irgendwelche Körperteile kopieren und die Ergebnisse öffentlich aufhängen. Nein, man bestellt sich inzwischen Old Fashioned statt Whisky Cola und wippt zu anspruchsvollem Elektro im Charlie, statt zu Bravo-Hits Formationen wie den "Skifahrer" oder das "Bügeleisen" zu tanzen.

Doch es gibt eine immer wiederkehrende Ausnahme. Nein, nicht der Fasching, sondern der Besuch alter Schulfreunde. Wie ein längst überstanden geglaubter Virus fallen sie über einen her und erwischen einen da, wo es fies wehtut: an der Würde. Die Peinlichkeitsschranke fällt mit dem Moment ihrer Ankunft, schon am Hauptbahnhof wird das erste Bier geöffnet und man grölt auf dem Gärtnerplatz herum wie früher in der Raucherecke.

Abends führt man die Freunde in die bis dahin unbefleckte Stammkneipe, um ihnen zu zeigen, wo man inzwischen rumhängt, und zack! ist man zurückkatapultiert ins Ausgehverhalten der Teenagerzeit: Man debattiert im Kilombo im Heimatdialekt lautstark über Verdauungsbeschwerden und verschiedene Praktiken verschiedener Lebensbereiche. Man schmeißt mehrere Runden Sambuca und fleht den DJ irgendwann an, dieses total lustige Lied von den Doofen aufzulegen. Autsch.

Diese Aktionen kommen bei den Freunden spitzenmäßig, beim restlichen Publikum nicht mal im X-Cess oder Barschwein sonderlich gut an. Schnell ist man sozial isoliert. Aber das macht nix - man hat ja seine guten alten Freunde, von denen einer doch nicht ernsthaft gerade in fremde Ausschnitte fotografiert!? Hilfe. Schnell noch einen Sambuca trinken, damit man sich am nächsten Tag auch bloß an nichts mehr erinnert.

© SZ vom 27.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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