Ausgehen:Bei der Partnersuche sollten sich Münchner ein Beispiel an New Yorkern nehmen

Bar Perlwerk, Müllerstraße 42

München hat 1,5 Millionen Einwohner, einen Kneipenflirt zufällig wiederzutreffen, ist so wahrscheinlich wie eine Drei-Zimmer-Wohnung für unter 1000 Euro kalt.

(Foto: Florian Peljak)

Denn was nützt es, in der Singlehauptstadt zu leben, wenn am Freitag alle Bekannten über 30 "zu erschöpft" von der Woche sind?

Kolumne von Oliver Klasen

Eine Bekannte drängte kürzlich zu einem Kneipenbesuch in Giesing. Dagegen ist grundsätzlich nie etwas einzuwenden. Doch der Grund für ihr Drängen war nicht das Flair im sympathischen Arbeiterstadtteil, sondern ein junger Mann, den sie just in dieser Kneipe exakt vor einer Woche gesehen hatte. Man habe keine Nummern ausgetauscht, nur Blicke. Allerdings habe er seine Jacke auffällig nahe neben ihrer platziert. Sie habe zudem aufgeschnappt, dass er Sechzig-Fan sei.

Der Gesuchte erschien auch nach zweistündigem Warten nicht. Was also tun? Beim nächsten Heimspiel vor dem Grünwalder Stadion alle Menschen mit blauen Trikots abscannen? Ein paar Mal die Tegernseer Landstraße entlanglaufen und schauen, ob man den jungen Mann erspäht? Ach, wie schön war es in den Achtzigern, als München noch ein Millionendorf war und nicht jene in sämtlichen Belangen überfüllte Metropole, die es heute ist. Damals konnte der Monaco Franze mit seinem Spezl noch ruck-zuck eingrenzen, wo die unbekannte Schöne, die er auf der Straße getroffen hatte, wohl wohnen würde. Am Goetheplatz nämlich. Am Freitag auf d'Nacht würde sie entweder ins Sugar Shack gehen oder in den Tanzpalast.

Jetzt hat München 1,5 Millionen Einwohner, einen Kneipenflirt zufällig wiederzutreffen, ist so wahrscheinlich wie eine Drei-Zimmer-Wohnung für unter 1000 Euro kalt. Wer nicht das Glück hat, seine Liebe auf der Arbeit oder über Freunde von Freunden zu finden, tut sich schwer. Denn was nützt es, dass München Singlehauptstadt ist, wenn am Freitag auf d'Nacht alle Bekannten über 30 "zu erschöpft von der Woche" sind. Oder mit ihrer Kleinfamilie nach Höhenkirchen-Siegertsbrunn gezogen sind, was bedeutet, dass sie keine Lust mehr haben, in Giesinger Kneipen mit den übrig gebliebenen Singles nach Flirtgelegenheiten zu suchen.

Vielleicht sollte sich München ein Beispiel nehmen an New York. Das ist auch eine überfüllte Metropole, aber sie sind kreativer dort. Auch bei der Partnersuche. In Brooklyn waren jüngst an Laternenpfählen Blätter befestigt. "Looking for a girlfriend" - "Suche eine Freundin" stand darauf und unten befanden sich kleine Abschnitte zum Abreißen mit Name und Telefon. Der Suchende schrieb, er sei "offen dafür, dass sich die anfängliche Beziehung in etwas Tieferes entwickeln" werde. Das ist pathetisch und analog, aber vielleicht die richtige Strategie.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: