Szene-Kolumne:Eiskaffee zum Winterfrühling

Lesezeit: 1 min

Von Anna Hoben

An diesem Donnerstag startet das Tollwood-Winterfestival. Passend dazu und gerade rechtzeitig hat am Mittwoch der Frühling Einzug gehalten. Na gut, nicht der echte Frühling, der sogenannte Winterfrühling. Dank des Winterfrühlings können wir Ende November draußen Eiskaffee trinken und an Heiligabend im T-Shirt spazieren gehen. Im besten Fall hält der Winterfrühling uns davon ab, Glühwein in uns hineinzuschütten, Gebräu des Grauens. Wir brauchen ihn nicht, um uns aufzuwärmen, denn uns ist schon warm. Und es ist der Winterfrühling, der uns ein für alle Mal klarmacht, warum in den Supermärkten schon im August Lebkuchen und Dominosteine liegen. Ihr Anblick bei 27 Grad hilft uns dabei - man kann sich das vorstellen wie eine Art Schocktherapie - uns darauf einzustellen, dass es dann, wenn wir sie tatsächlich essen wollen, draußen 17 Grad haben wird. Anstatt null, wie wir es eigentlich für angemessen halten würden.

Eine Langzeitwirkung hat diese Schocktherapie allerdings offenbar nicht, im nächsten Jahr ist die Empörung vom Vorjahr vergessen. Anders kann man es sich nicht erklären, dass zuverlässig und regelmäßig Ende August, Anfang September wieder ein Aufschrei durch die Supermarktgänge hallt, das Echo samt Fotobeweis gibt es dann bei Facebook: Lebkuchen im August, geht's noch? Dabei wäre ein bisschen Gelassenheit durchaus angebracht. Im Sommer isst man Eis. Gibt es im Winter einen Aufschrei, wenn immer noch Eis im Tiefkühlregal liegt? Eben.

Mindestens bis Freitag soll es frühlingshaft bleiben, sagt der Wetterbericht. Vielleicht sollte das Tollwood-Winterfestival sich künftig Winterfrühlingsfestival nennen. Dann würde aber das Cover des Programmheftes nicht mehr funktionieren. Zu sehen sind unter dem Motto "Wir, alle" ein paar Dutzend Schneemänner und -frauen, mit Hüten und Mützen unterschiedlicher Herkunft, Kopftüchern und einer Burka. Ansonsten sind sie alle gleich, wie alle anständigen Schneemenschen haben sie Karottennasen. Den fragilen Schneemenschen, mehr noch als den anderen Menschen, ist zu raten: Haltet euch beim Glühwein zurück.

© SZ vom 23.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: