Szene-Kolumne:Basilikum im Glas

Wer diesen Sommer Sprizz statt Hugo wollte, musste fürchten, nach Rosenheim ausgewiesen zu werden. Jetzt trinkt der Münchner was mit Ingwer. Oder ist Basilikum längst der neue Ingwer? In Großstädten besteht ein gewisser Zwang, sich der Drink-Mode anzupassen - zum Glück nicht für ewig.

Judith Liere

In der Mode kommt alles wieder in Mode, was früher hip war und dann jahrelang als Inbegriff der Peinlichkeit galt: Schulterpolster, Vokuhilas, Karottenhosen. Kann man alles wieder tragen, sogar in Kombination, weil man das natürlich ganz Hipster-mäßig ironisch tut.

Basilikum im Glas, Drinks, München

In München munkeln manche, Basilikum sei längst der neue Ingwer. Andere finden selbst Basilikum bereits "so last year" - und setzen nur noch auf unverfängliche Basics wie Helles.

(Foto: dpa-tmn)

Für Getränke gilt das nicht, sieht man von ein paar Versuchen ab, erwachsene Menschen mit einem Hang zum Nostalgischen wieder dazu zu bringen, winzige Strohhalme in ein Päckchen Sunkist oder einen Beutel Capri-Sonne zu friemeln, um daraus Fruchtsaftimitat zu nuckeln. Durch die Getränke-Mode schwappen sonst wenig Retro-Wellen, jedenfalls wurden am Glockenbach noch keine Leinenbeutel-Hornbrillen-Träger gesichtet, die an der Theke ganz ironisch einen Eimer Sangria mit zwanzig langen Strohhalmen bestellen.

In Großstädten besteht ein gewisser Zwang, sich der aktuellen Drink-Mode anzupassen - wenn man nicht furchtbar aufpasst und noch das trinkt, was alle anderen schon seit letztem Jahr nicht mehr trinken, ist man schneller raus als früher auf dem Schulhof, wenn man in C&A-Jeans zwischen lauter Levi's 501 stand. Wer diesen Sommer Sprizz statt Hugo wollte, musste fürchten, sofort nach Rosenheim ausgewiesen zu werden. Bionade und Rhabarberschorle sind auch schon durch, und natürlich wird kein reflektierter Mensch mehr Latte macchiato bestellen.

In München muss man, wenn man auch nur ansatzweise dazugehören will, seit einiger Zeit unbedingt was mit Ingwer trinken, oder mit Gurke, am besten mit beidem, nämlich Munich Mule. Manche munkeln aber, Basilikum sei schon längst der neue Ingwer. Andere finden selbst Basilikum bereits "so last year". Die erkennt man daran, dass sie, bis etwas Neues kommt, sicherheitshalber nur noch unverfängliche Basics wie Helles trinken, weil das immer geht.

Zum Glück muss man diesen Quatsch nur so lange durchhalten, bis man endlich in das Alter kommt, in dem es gestattet ist, ausschließlich Spätburgunder und Martinis zu konsumieren. Klassiker waren eben schon immer geschmackvoller als Trends.

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