SZenario:Verführerisch wie ein Bellini-Cocktail

Bei der Feier zur "Meistersinger"-Premiere zeigt sich Jonas Kaufmann unausgelastet und singt Jazz, Eike Wilm Schulte begeht sein 50-jähriges Bühnenjubiläum und Nikolaus Bachler ist glücklich

Von Egbert Tholl

Man kann nur hoffen, dass irgendjemand dem Regisseur David Bösch vorher gesagt hat, dass nur, wer für seine Regiearbeit keine Buhs bei einer Premiere an der Bayerischen Staatsoper erhält, etwas falsch gemacht haben muss. Bei Wagner gilt das im verschärften Maße, und so kann Bösch eigentlich ganz zufrieden sein mit den Reaktionen nach der "Meistersinger"-Premiere. Die sind eh halb-halb. In den beiden Pausen kann man noch lustige Grummeleien unter den Besuchern erlauschen, unter denen offenbar einige sind, denen es auf der Bühne entschieden zu wenig Geranientöpfe und Fachwerk gibt.

Bei der Premierenfeier spielt das natürlich eh keine Rolle mehr, Staatsopernintendant Nikolaus Bachler zeigt sich überglücklich, meint, "Meistersinger" seien das größte, was man als Opernhaus machen könnte; explizit lobt Bachler den Chor, sehr zu Recht, und bei all der Freude wäre etwas fast untergegangen. Nämlich: Beim Einzug der Meister auf die Festwiese (die bei Bösch keine Wiese ist) sieht man diese groß auf der Videoleinwand, in lustig gestellten Posen. Einer erscheint dort lorbeerumkränzt, der Sänger des Kothner, weil ehemaliger Merker und nun irgendwie 50-jähriges Jubiläum. In der Aufführung selbst rutscht der Moment so eben durch, hinterlässt aber doch eine Frage: Der Sänger jenes Kothners ist Eike Wilm Schulte. Und der sang an der Bayerischen Staatsoper oft den Beckmesser in den "Meistersingern". Da denkt man sich: Ui, eine hübsche Hommage, dass man ihn nun noch einmal auftreten lässt, in der kleineren Kothner-Partie. Und siehe, was auch im Haus selbst viele nicht wissen: Schulte feiert an diesem Abend sein 50-jähriges Bühnenjubiläum. In diesen 50 Jahren übrigens hat er 149 Abende als Beckmesser verbracht.

Darauf folgt der Auftritt des Edel-Crooners: Jonas Kaufmann, vom eben absolvierten Stolzing-Debüt offenbar nicht ausgelastet, singt Jazz, zusammen mit der Truppe Opera Jazz, also begleitet von Daniela Huber (eigentlich Geige, hier auch Klavier), Willy Hilgars (Drums), Carlos Vera (Vibraphon) und Richard Schmid (Bass). Kaufmann singt "Cheek to cheek", mit seidiger Eleganz, gezogen, weich, verführerisch wie ein Bellini-Cocktail. Also ein echter, nicht wie das Zeug, das sie in der Oper ausschenken. Klar, Opernsänger und Jazz, das geht an sich fast immer schief, aber hier liegen alle Kaufmanns Charme zu Füßen. Ist die Geige zu leise, springt er selbst ans Mischpult, ist Teil der Band. Reizend! Jazz is not a game for him.

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