SZenario:Starker alter Mann

Bei der Feier zum 70. Geburtstag der Münchner CSU liefert Edmund Stoiber mit einer Rede über Flüchtlinge Gesprächsstoff

Von Heiner Effern

Zwei junge Männer schlendern fein gekleidet durch den Alten Rathaussaal. Rechts von ihnen das Buffet mit Brezen und Käsespieße. Vor ihnen stehen Weingläser und Party-Bierflaschen. Sie sind diesen Genüssen nicht abgeneigt, doch ihre Gedanken sind noch anderweitig beschäftigt. Schon stark, wie es der alte Mann noch bringe, sagt der eine. "Die beste Rede, die ich seit Langem gehört habe", stimmt der andere zu. Edmund Stoiber strebt derweil dem Ausgang zu, sucht die steile Treppe hinab vorsichtig den Handlauf und lässt die Münchner CSU ihren 70. Geburtstag alleine weiterfeiern.

Aber wie so oft, wenn der frühere Ministerpräsident geht, hinterlässt er ein Thema. Am Montagabend sind es sogar zwei: sich selbst und die Flüchtlingskrise. Stoiber sei wie eine Kerze, die von zwei Seiten brenne, sagt Hans Podiuk, Fraktionschef der CSU im Stadtrat. Der Edmund habe am Nachmittag nach einer ähnlich leidenschaftlichen Rede in der Landtagsfraktion ein paar neue Abgeordnete mit offenem Mund stehen lassen, sagt der Münchner CSU-Chef Ludwig Spaenle. Obwohl der frühere Ministerpräsident vier Jahre älter ist als die Münchner CSU.

Doch mit Historie begnügt sich Stoiber zu solch einem Anlass ohnehin nicht. Nur kurz lobt er die Fortschritte der Münchner CSU von der erfolglosen Skandalnudel zur Mehrheitspartei, um dann gleich tagespolitisch zuzuschlagen. "Eine deutsche Willkommenskultur ohne Obergrenze wird die EU spalten und zerstören", ruft er in den Saal. Die britische Innenministerin nenne Deutschland wegen des "Kontrollverlusts an den Grenzen" bereits einen Hippie-Staat. Die Integration sei ohne Obergrenze nicht zu schaffen, Stoiber spricht von "der beginnenden Radikalisierung" der gesellschaftlichen Mitte. Die meisten Asylsuchenden könnten im Job nicht "Champions-League" spielen, wie in der heimischen Wirtschaft nötig, sondern würden in den unteren Ligen schon zu kämpfen haben. Am Ende seiner Festrede erhält Stoiber langen, donnernden Applaus.

Die Basis schert dabei wenig, dass Spaenle und Bürgermeister Josef Schmid ihrer Partei mit viel Mühe das Gesicht einer liberalen Großstadtpartei übergezogen haben. Beide sind zur Geburtstagsfeier nicht im CSU-schicken Trachtenjanker, sondern im Sakko mit knall-lila (Spaenle) und dezent-lila (Schmid) Krawatte gekommen. Wie "die Kompagnons" ihm selbst und ihrer Partei noch besser gefallen könnten, hat Stoiber trotzdem angedeutet. Er lobte Schmid für seine Toleranz, aber viel mehr noch für sein kritisches Flüchtlings-Interview im Sommer, das einen veritablen Koalitionsstreit mit der SPD ausgelöst hatte.

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