SZenario:"Sie sind doch so schön!"

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Warten im strömenden Regen, um zwei Menschen beim Betreten der Residenz zuzusehen? Über das Phänomen der von vielen verehrten Könige und Thronfolger beim Besuch des dänischen Kronprinzenpaares Frederik und Mary am Mittwoch in München

Von Philipp Crone

Der Polizeibeamte blickt unter seiner durchnässten Mütze hervor und sagt: "Ganz ehrlich, ich würde sie nicht erkennen." Muss er auch nicht, er muss lediglich den roten Teppich, der so durchnässt ist wie seine Mütze, von Fans freihalten am Mittwochmittag vor dem Eingang zur Residenz. Denn gleich wird das dänische Kronprinzenpaar hier vorgefahren. Frederik, 46, und Mary, 43, sind für einen zweitägigen Besuch in der Stadt, weil sie für ihr Land und die Handelsbeziehungen werben wollen. Werben und wirtschaftliche Kontakte knüpfen werden allerdings in erster Linie die 75 Handelsvertreter ihres Landes, die als Anhang mitreisen. Das Paar selbst ist die herrschaftlich royale Verpackung dieses Ausflugs. Denn auch in München gibt es viele, die bei den Begriffen König und Krone einen leicht verträumten Blick bekommen. Warum ist das so? Vielleicht bringt ein Tag mit den Kronprinzenpaar der ältesten Monarchie Europas die Antwort auf diese Frage.

Die erste Antwort kommt sofort: "Sie sind doch so schön!", sagt eine Frau. Neben ihr wartet am Eingang zur Residenz die zweieinhalbjährige Philippa mit einem kleinen Dänemarkfähnchen in der Hand. Ihre Mutter sagt: "Sie weiß zwar nicht, was hier passiert, aber ihre Großeltern sind Dänen. Und die freuen sich sicher." Philippa freut sich auch, zumindest über die geschenkte Fahne. Ein junger Mann nebenan sagt: "Schade, dass wir keinen König mehr haben, aber dafür ist wohl kein Geld mehr da." Auch wenn die Argumentation nicht stimmt, trifft sie beim Thema Geld einen zentralen Punkt und ist eine Antwort auf die Frage, warum Könige und Prinzen noch immer beliebt sind: Ob sie heiraten, feiern oder reisen - die Bewunderung und Verehrung hängt immer auch damit zusammen, dass man als einfacher Fan, der am Mittwoch im Regen friert, zumindest einmal einen Gestalt gewordenen Traum live sehen kann. Die einen tragen in sich die Sehnsucht, auch einmal von Horst Seehofer untertänigst lächelnd begrüßt zu werden, bei Hochadels-Feiern dinieren oder eine Traumhochzeit à la William und Kate feiern zu dürfen. Die anderen genießen es hingegen, sich darüber zu echauffieren, wie man im 21. Jahrhundert denn bitte schön noch Königshäuser aushalten könne und dass Frederik und Mary ein Tagesbudget von 3060 Euro haben, wie ein Boulevardmagazin ausrechnete. So oder so: Geschichten über Monarchien lassen also niemanden kalt. Eben fährt noch ganz unerkannt Bayerns adliges Oberhaupt, Franz Herzog von Bayern, vor, ehe das Prinzenpaar ankommt. Und man muss schon sagen, in Sachen sympathische Begrüßung macht Kronprinzessin Mary niemand etwas vor. Strömender Regen? Egal. Sie steigt aus dem Wagen, dreht sich und winkt. Das Händeschütteln kann sie auch ganz wunderbar, sogar so gut, dass eine beglückte Frau, die ihre Hand halten durfte, hinterher zu Protokoll gibt: "Das war so toll!" Muss eine besondere Hand sein, die Rechte der Kronprinzessin. Toll war das. Aber kurz. Denn das Programm an diesem Mittwoch ist voll.

Nach dem Essen in der Residenz geht es für Frederik und Mary in den Landtag. Dafür wird die Maximilianstraße um kurz vor 16 Uhr für mindestens eine Viertelstunde komplett gesperrt, ehe ein Konvoi aus Dutzenden Polizeiwagen und Motorrädern das Paar im Schritttempo gen Isar chauffiert. Die Bewunderer denken sich bei so einem Anblick: Hach, einmal so gefahren werden! Während die Kritiker grollen: Und dafür Stau im Berufsverkehr?

Vor dem Landtag warten zwar keine Fans, dafür Landtagspräsidentin Barbara Stamm, um mit anzusehen, dass Mary nicht nur unglaublich gut Hände schütteln kann, sondern auch ihren Vornamen einwandfrei in das Ehrenbuch des Landtags setzt. Einzig, zu hören ist wenig von den beiden. Der begleitende Pressechef erklärt, das Paar rede "nicht so gerne" bei Auslandsreisen. Aber ist ja auch nicht nötig. Winken und Lächeln reichen.

Frederik smalltalkt dann doch noch kurz mit Stamm, ehe man im Schlenderschritt wie bei einer Prozession wieder zum Auto schreitet, es warten schließlich noch zwei Shop-Eröffnungen und ein Gala-Dinner am Abend. Wieder geht es im Schritttempo über die Isar. Frederik schaut ein wenig verträumt aus dem Fenster auf den verregneten Fluss. Woran er wohl denkt? Wie langweilig das doch ist und er lieber wieder bei seiner Marineschwimmer-Einheit wäre? Wahrscheinlicher ist: Wohin fahren wir jetzt noch einmal? Zur Shop-Eröffnung. Und was muss ich da machen? Einfach anwesend sein.

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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