SZenario:Schluss mit den Ausreden

Eine Gala als Werbung für die Krebsvorsorge: Zum 15-jährigen Bestehen der Stiftung ist der Felix-Burda-Award von Berlin zurück nach München geholt worden

Von Thomas Becker

Kurz vor Schluss wird es dann richtig bitter, zumindest für einige Wenige im Saal. Fast vier Stunden lang geht es schon um das Thema Darmkrebsvorsorge. Wie wichtig die sogenannte Koloskopie ist, dass damit seit 2002 in Deutschland 200 000 Neuerkrankungen und 100 000 Todesfälle verhindert worden sind, dass dennoch alle 20 Minuten jemand an Darmkrebs stirbt, dass für Menschen mit familiär bedingtem Darmkrebsrisiko eine entsprechende Früherkennung lebensrettend sein kann, all das ist nun auch dem letzten der 500 Gäste aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Showbusiness klar geworden.

Doch dann steht Maria Furtwängler da vorne am Rednerpult und fordert in ihrer nüchternen, schnörkellosen Art: "Bitte mal aufstehen, wer schon bei der Vorsorge war!" Kollektives Stühle-nach-hinten-Schieben im Festsaal der BMW Welt, und dann stehen 90 bis 95 Prozent der Anwesenden - was für ein trauriger, entlarvender Moment für die paar Sitzenbleiber. Wie heißt es wenig später im Werbe-Spot der Kampagne? "Ausreden können tödlich sein." Ist ja gut, gleich morgen wird ein Termin ausgemacht.

Felix Burda Award in der BMW-Welt

Viele Stars kamen zur Verleihung der Felix-Burda-Awards, unter ihnen Maria Furtwängler-Burda und Christa Maar.

(Foto: Florian Peljak)

Felix Burda, Sohn des Verlegers Hubert Burda und seiner Frau Christa, ist 31 Jahre alt, als er die Diagnose Darmkrebs bekommt. Zwei Jahre später, im Februar 2001, ist er tot. Seine Eltern gründen daraufhin die "Felix Burda Stiftung", die sich der Präventionsarbeit widmet, die jährliche Kampagne "Darmkrebsmonat März" initiiert und in jedem Jahr eine große Gala veranstaltet, um auf dieses scheinbar so wenig galahafte Thema hinzuweisen. Zum 15-jährigen Bestehen der Stiftung wurde der Felix Burda Award nun von Berlin zurück nach München geholt - eine Entscheidung, die nicht nur bei Moderator Thomas Hermanns, einem bekennenden Berliner, positiv ankommt: "München schaut immer so scheiße gut aus. Sehen Sie sich mal die Kellner an! Berlin ist eher so tätowiert, München hat die viel besseren Frisuren!"

Auch die Wissenschaft fühlt sich in der BMW Welt sehr wohl: "So eine Veranstaltung mit ein bisschen Glamour ist das Beste, was dem Bereich Gesundheit passieren kann", sagt zum Beispiel Professor Volker Amelung vom Institut für angewandte Versorgungsforschung, "bei uns in Berlin ist das eine Versammlung alter Männer. Da fehlt nur noch das Sauerstoffzelt."

Ja, Glamour-Galas kann München wie keine andere deutsche Stadt, und dass da Professoren neben tiefst-dekolletierten "Rosenheim-Cops"-Schauspielerinnen zu sitzen kommen, ist hier nun mal eher die Regel als die Ausnahme.

Felix Burda Award in der BMW-Welt

Erol Sander und Caroline Godet.

(Foto: Florian Peljak)

Die Vorab-Show am roten Teppich hat mit dem so schweren wie löblichen Thema natürlich nichts zu tun, gehört aber dazu. Also los: "Hier Cathy, hier Cathy!", brüllt der Fotografenchor einstimmig, als die Ehefrau von Mats Hummels ihr allerschönstes Lächeln spazieren trägt. Barbara Meier, Ex-GNTM (die Älteren erinnern sich), soll von ihrem neuen Schatz Klemens Hallmann erzählen, was sie gerne tut: "Er mag keine Öffentlichkeit, und das wird sich auch so schnell nicht ändern." Zurück zum Sport: Jimmy Hartwig, der Ex-Nationalspieler, ist da, wirbt für sein Flüchtlings-Fußballturnier am Tag des EM-Finales, für das er noch Sponsoren sucht. Der 61-Jährige hat Prostata- und Hoden-Krebs überlebt: "Das war wie ein Todesurteil. Heute gesund durchs Leben zu gehen, dafür lasse ich jeden Ferrari stehen." Irgendwann kam noch ein Gehirntumor dazu - die OP verfolgte Hartwig bei vollem Bewusstsein am Bildschirm, erzählt er in schönstem Offenbacher Platt: "Die Leut' sage immer: ,Der Hartwig hat kei Hirn!' Aber ich hab's gesehn! Live!"

Im Saal wird es bei rosa Kalbsrücken und Saibling einen Tick ernster - naja fast. Schauspieler und Ex-Preisträger Wolfgang Stumph soll die Menge begrüßen und kriegt dabei den Namen von Gesundheitsminister Hermann Gröhe auch fast richtig hin. Von dessen Rede bleibt ebenso wenig hängen wie vom Vortrag seiner bayerischen Amtskollegin Melanie Huml, was aber von Christa Maars Ausführungen kompensiert wird. Diesen Künstlernamen nahm die geschiedene Burda-Gattin an, firmiert heute als Vorstand der Felix-Burda-Stiftung und als Präsidentin des Netzwerkes gegen Darmkrebs. "Zu Beginn unserer Arbeit gab es keine gesetzliche Darmkrebsvorsorge", erzählt Maar, "nach unserem ersten Darmkrebsmonat wurde sie im selben Jahr eingeführt. Heute, 14 Jahre später, haben rund sechs Millionen Versicherte ihren Anspruch auf die kostenlose Prävention bereits geltend gemacht - ein wunderbarer Erfolg." Zu verdanken sei der unter anderen auch Günter Jauch, der in Stern TV einst die Darmspiegelung eines Talk-Gastes zeigte.

Felix Burda Award in der BMW-Welt

Christine und Wolfgang Stumph.

(Foto: Florian Peljak)

Diesmal werden die Audi AG in der Kategorie "Betriebliche Prävention" ausgezeichnet, das European Molecular Biology Laboratory im Bereich "Medizin und Wissenschaft" für einen neuartigen Stuhltest zur Früherkennung sowie die BR-Serie "Dahoam is Dahoam" als "Engagement des Jahres". Die BR-Preisträger gaben den 5000-Euro-Scheck gleich wieder zurück: "Damit es weitergeht." Gut gemacht. Nicht so gut dagegen der Versuch des Stiftungsratsmitglieds Maria Furtwängler, bei der Laudatio auf die BR-Truppe in deren Idiom zu verfallen. Auch mal gut zu sehen, dass diese Frau nicht alles kann. Aber mit der Vorsorge-Nummer hat sie natürlich Recht. Wie gesagt, gleich morgen dann. Höchste Zeit.

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