Szenario:Mit Zug zum Tor

Beim Dorotheum-Empfang geht es um Laufwege, Politik und die Frage, warum Alte Meister in der Kunst demnächst wieder in Mode kommen

Von Philipp Crone

Die Laufwege sind an diesem Abend klar. Zumindest für den erfahrenen Fußball-Kommentator Fritz von Thurn und Taxis. Der 67-Jährige steht am Mittwochabend auf dem Kies des Hofgartens, während andere noch drinnen an den Gemälden des Auktionshauses Dorotheum vorbeischlendern. Hier gibt es keine komplizierten Spielzüge, bei denen die Damen und Herren kreuz und quer und ausdauernd zwischen den Alten Meistern und den ausgestellten Schmuck-Vitrinen hin und herlaufen, wie es einem Coach wie Pep Guardiola vielleicht gefallen würde, dem Kurzpass-König. Die Taktik des Abends ist relativ einfach: mit wenigen Umwegen an den Bildern vorbei direkt vors Tor respektive zum Ziel - und das steht im Innenhof, wo bei fast noch spätsommerlichen Temperaturen Drinks und Häppchen gereicht werden. Wobei es ein Fehler ist, nicht wenigstens einmal kurz Station bei Michael Hatzl zu machen, Experte für Alte Meister im Dorotheum, und sich erklären zu lassen, was für Trends gerade in der Kunstwelt entstehen.

Hatzl steht im ersten Stock neben einem Bild von Jan Both, einem Maler aus dem 17. Jahrhundert, und sagt: "Der Unterschied zur zeitgenössischen Kunst ist ja: Wenn ein Superreicher einen Gerhard Richter haben möchte, bestellt er einen. Das geht aber bei den Alten Meistern nicht, da fehlt der Nachschub, und die tollsten Sachen hängen in den Museen." Oder eben an diesem Abend in den Räumen des Auktionshauses am Hofgarten, wo auch Kollege Heinrich Graf von Spreti von Sotheby's vorbeischaut, um die Konkurrenz zu beobachten. "Kunst zieht die Leute an", sagt er, "und verbindet die Menschen." Besonders an einem solchen Abend, an dem auch "der Jagdtrieb" der männlichen Sammler geweckt wird, wie Spreti das nennt. Nach einem Werk, das zur Sammlung passt.

Szenario: Klare Laufwege: Fritz von Thurn und Taxis (l.) und Gastgeber Franz Freiherr von Rassler unterhalten sich im Hofgarten.

Klare Laufwege: Fritz von Thurn und Taxis (l.) und Gastgeber Franz Freiherr von Rassler unterhalten sich im Hofgarten.

(Foto: Stephan Rumpf)

Für die Jäger ist dann natürlich gleich Michael Hatzl wieder zur Stelle, der einen Wohntrend ausgemacht hat. Es gehe mittlerweile nach 25 Jahren wieder weg vom minimalistischen Einrichten, "es kommt wieder die Sehnsucht nach Gemütlichkeit", wozu, welch Überraschung aus dem Mund des Alte-Meister-Experten, eben Alte Meister wunderbar passen. Eine "Landschaft im Dämmerlicht" von Aert van der Neer für 60 000 Euro? "Es entsteht auch das Bewusstsein, dass man sich das leisten kann." Bei wem, ist nur die Frage.

Zwischen den traditionellen Gesprächsthemen beim ersten Münchner Gesellschaftsevent nach dem Sommer ("Wie war der Urlaub?", "Das Bild gefällt mir") ist nicht nur "wie geht's den Kindern?" zu hören, sondern ausnahmsweise wird auch die Politik diskutiert, so kurz vor der Bundestagswahl, wobei man sich in diesem Kreis einig zu sein scheint: Wunschergebnis wäre Schwarz-Gelb, realistisch ist Schwarz-Rot, und einzig der bevorstehende Streit zwischen Sigmar Gabriel und Martin Schulz um das Amt des Außenministers sei wirklich noch spannend, sagt zum Beispiel Orthopäde und Netzwerker Wolfgang Pförringer. Ex-Sportler Manfred Schnelldorfer pflügt durch die Gesellschaft, während das Verleger-Ehepaar Heyne schon noch einmal die Schmuck-Auslage begutachtet. Manch ein Gast rumpelt beim zielstrebigen Gang in den Hof zu Gulasch und Veltliner schon mal an einen Alten Meister hin, dass der Mühlsteinkragen wackelt.

Szenario: Das Galeristenpaar Natascha und Helmut Riedl bestaunen einen fulminanten Mühlsteinkragen.

Das Galeristenpaar Natascha und Helmut Riedl bestaunen einen fulminanten Mühlsteinkragen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Der Jagdtrieb der Gäste beschränkt sich am späteren Abend darauf, die bereitwillig nachschenkenden Kellner im Blick zu behalten. Kommentator Fritz von Thurn und Taxis würde wohl sagen, dass der Strafraum vor dem Tor gut besetzt ist, bis weit in die Nachspielzeit.

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