SZenario:"Ich bin ganz unbescheiden"

Max Mannheimer als Maler - bei der Buchvorstellung zeigt der KZ-Überlebende seine Fähigkeiten als Entertainer

Von Philipp Crone

Max Mannheimer ist an diesem Vormittag nicht der Zeitzeuge wie sonst immer. Er ist auch nicht der bewunderte Maler wie seit einiger Zeit. Er ist Comedian. Aber wahrscheinlich ist Humor und Selbstironie auch die beste Art und Weise, um mit der Bewunderung und Ehrfurcht umzugehen, die Mannheimer entgegenschlägt, wann immer der 96-jährige KZ-Überlebende aus Dachau öffentlich auftritt. Und mag es bei Schülern, zu denen er ja seit Jahrzehnten immer wieder spricht, so sein, dass ihn viele gar nicht kennen, dann ist es am Donnerstagvormittag in der Galerie B.O.A. an der Schwanthalerstraße eher so, dass alle Gäste sein Leben nur zu gut kennen - und nun noch den Maler Mannheimer kennenlernen möchten.

Deshalb hat der 96-Jährige zur Buchpräsentation geladen, nur um jedes Mal, wenn er das Wort ergreift und alle Gespräche der knapp 50 Gäste in Sekundenbruchteilen verstummen, wieder eine Pointe zu setzen.

Als Mannheimer vorgefahren wird und mühsam vom Beifahrersitz in den Rollstuhl kommt, sagt er nur trocken, mit einem nachträglichen Lächeln: "Ich möchte bitte pünktlich sein." Also möge man seine schwachen Beine doch schnell auf die Stufen des Rollstuhls heben.

Oben in der Galerie, zwischen seinen farbenfrohen abstrakten Gemälden, muss der Mann zunächst zuhören. Etwa dem Galeristen, der sagt: "Wir kennen ihn schon lange, fünf Jahre." Was sind fünf Jahre im Leben dieses Mannes, auf jeden Fall nicht lang. Und dass er fünfeinhalb Stunden aus seinem Leben erzählt habe, berichtet Galerist Peider Defilla. Aber nicht einmal 50 würden ausreichen, um zu erzählen, was Mannheimer auf seinem Martyrium durch verschiedene Konzentrationslager erlebt hat. Defilla endet, Mannheimer fragt ihn: "Aber Seiltanz können Sie nicht?" Verdutztes Kopfschütteln. "Weil Sie so vielseitig sind." Der Galerist betreibt auch ein Tonstudio.

Anschließend erklärt Mannheimer, dass es schon beachtlich sei, wenn nun seine Bilder neben denen von Kandinsky oder Marc in Murnau hingen, "wenn man bedenkt, dass ich mir in der Schule meine Zeichnungen hab' machen lassen in Kompensation für die Korrektur tschechischer Aufsätze." SZ- und Buchautor Gottfried Knapp lässt sich als Herausgeber des Bildbandes ("Max Mannheimer, The Marriage of Colours", Hirmer) aber davon nicht beirren und lobt den Maler Mannheimer in den höchsten Tönen. Der hat die Malerei ursprünglich schon 1950 als Mittel entdeckt, um seine Erinnerungen und all das Unfassbare, was er erlebt hatte, zu verarbeiten. Fast seine gesamte Familie wurde in Auschwitz ermordet, nur er und sein Bruder überlebten. Er sei aber kein Maler, sagte Mannheimer früher, nur ein Kleckser.

"Ich kann nicht gut zeichnen", sagt Mannheimer und blickt auf seine Bilder, mit Kunstharz gefertigt oder mit der Hinterglastechnik, von 80 bis 1700 Euro teuer, "deshalb war das Abstrakte das Richtige für mich." Manchmal würde ihm heute halbwegs etwas gelingen. "Sie sind zu bescheiden", sagt Verleger Jürgen Temsch, und wie ein geübter Kabarettist nimmt Mannheimer die Vorlage sofort auf. "Bescheiden stimmt ja nicht. Ich bin ganz unbescheiden. Aber wenn man dann so weit ist", sagt er, schaut auf Buch, Bewunderer und Bilder, und schließt mit einem breiten Lächeln: "dann kann man es sich leisten, bescheiden zu sein."

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