SZenario:Ganz nah

Stavros Kostantinidis, Münchens vermutlich begnadetster Netzwerker, feiert - und die Politprominenz ist da

Von Kassian Stroh

Und dann kommt sogar noch der bayerische Ministerpräsident. Und der Jubilar strahlt. Schließlich sind ja schon beide stellvertretende Ministerpräsidenten da. Nun schreitet auch noch Horst Seehofer die Treppe herab zu ihm, und Stavros Kostantinidis kann wieder einmal auf seine Art begrüßen: Die linke Hand legt er an den Oberarm des Gegenübers, mit der rechten umfasst er dessen Nacken und zieht ihn zu sich herunter. (Das zu schreiben, ist nicht despektierlich, mit seiner geringen Körpergröße kokettiert er selbst.) Dicke Umarmung. Manifestierte Nähe, im Wortsinne.

Der Einfachheit halber ließe sich sagen: Ein Münchner Rechtsanwalt feiert seinen 50. Geburtstag im Cavos an der Königinstraße. Der Wahrheit Genüge tuend muss gesagt werden: Münchens vermutlich begnadetster Netzwerker feiert - und dieses Netzwerk ist nahezu in Gänze da. Horst Seehofer und seine Stellvertreter, Ilse Aigner und Joachim Herrmann, diverse weitere Minister und Staatssekretäre, Größen der Münchner Wirtschaft, des Beamtentums, reihenweise Abgeordnete, stark CSU-lastig ausgewählt. "Einmal schnipp mit den Fingern und alle sind da", sagt eine Verlegerin in eine Damenrunde hinein, "und das in der ersten Ferienwoche - Wahnsinn!" Der Blick auf die jeweils anderen hat auf die Anwesenden ersichtlich einen berauschenden Effekt.

Kostantinidis und sein Smartphone-Adressbuch umgeben einige Geheimnisse: Wie schafft er das, schon rein zeitlich, solch ein Netzwerk zu halten und zu unterhalten? Wie schafft er es, jedem das Gefühl zu geben, ihm schon lange vertraut zu sein, da man nicht einmal weiß, woher man ihn kennt? Probe aufs Exempel, Schnellumfrage unter seinen Geburtstagsgästen: Der eine ist ihm mal von jemand vorgestellt worden, der nächste hat ihn selbst angerufen, weil ihm ein dritter geraten hatte: Den Kostantinidis, den musst du kennen. Und die nächste wiederum sagt über den Jubilar ganz schlicht: "Der war einfach irgendwann irgendwo da." Und blieb, stets in Reichweite.

Seehofer nennt Kostantinidis, dem er vor zehn Monaten erst den Verdienstorden um den Hals gehängt hat, sogar einen "echten Freund". Und einen "Menschenfischer". Der Regierungschef hat nicht nur seine Frau mitgebracht, auch zwei seiner Kinder netzwerken im Cavos fröhlich mit. Dort ist es eng für die gut 200 Gäste: An manchen Tischen können die, die hinten sitzen, nicht aufstehen, ohne ein Dutzend Leute von ihren Plätzen aufzuscheuchen, was dann doch eine größere Überwindung erfordern könnte, wenn vorne, sagen wir mal, ein TV-Chefredakteur, ein österreichischer Immobilien-Großinvestor oder ein Landespolizeipräsident sitzt.

Kostantinidis, der mit allen per Du ist, hält selbst nur eine kurze Ansprache und bedankt sich bei wenigen Weggefährten: beim Baywa-Chef Klaus Josef Lutz, den er schon in jungen Jahren als "Revolutionsführer" erlebt habe; beim Kultusminister Ludwig Spaenle, der es als Münchner CSU-Chef nie zugelassen habe, dass er, Kostantinidis, als CSU-Kreisvorsitzender gewählt würde (aber das sei längst alles wieder gut - "wir stehen jetzt auf Augenhöhe, auch wenn er Minister ist"). Und bei Alfred Sauter: Das ist jener schwäbische Anwalt, der einst Justizminister war, aber immer noch Landtagsabgeordneter und Seehofer-Einflüsterer ist, und der, wenn ihn jemand nach seiner realen Arbeitsverteilung fragt, gerne mit der Bemerkung kontert, dass er als Anwalt so viele Steuern zahle, dass er seine Diäten als Abgeordneter locker selbst finanziere. Sauter also sei einer jener Freunde, bei denen er "das erste Handwerk eines Netzwerkers" gelernt habe, sagt Kostantinidis. Ohne ihn wäre sein Leben anders verlaufen, wäre er Tavernen-Wirt geworden, nicht Netzwerker. Nicht auszudenken an diesem Abend.

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