Szenario:Der Rausch bleibt aus

Szenario: Hauptdarsteller Shenja Lacher (links) wird ausgiebig bejubelt, auch für Oliver Nägele (rechts) verläuft der Abend prächtig.

Hauptdarsteller Shenja Lacher (links) wird ausgiebig bejubelt, auch für Oliver Nägele (rechts) verläuft der Abend prächtig.

(Foto: Robert Haas)

Das Residenztheater startet in die neue Spielzeit

Von Christian Mayer

Ende September ist die Zeit in München, in der sich das Theater mit Macht zurückmeldet, und dass diese Spielzeiteröffnung genau mit dem mittleren Wiesn-Wochenende zusammenfällt, sorgt für einen hübschen Gegensatz. An diesem Freitag sieht man sehr unterschiedliche Besuchergruppen, deren Wege sich in der Maximilianstraße kreuzen: Die einen sind bürgerlich aufgebrezelt fürs Theater und für die Oper, die anderen tragen Tracht und kommen sichtlich angeheitert von der größten Bühne der Welt, dem Münchner Oktoberfest.

Martin Kušej, der Intendant des Residenztheaters, hat den Vorteil, zwei Wochen früher dran zu sein mit dem Spielbetrieb als sein neuer Mit- und Gegenspieler in den Kammerspielen, wo die Ägide von Matthias Lilienthal nach dem Shabby-Shabby-Geplänkel offiziell am 9. Oktober beginnt. Der zurückhaltende Kušej und der extrovertierte Lilienthal, das könnte ein interessantes Duell werden. Beim Vor-Premieren-Empfang am Freitag konzentriert sich der Resi-Chef aber ganz auf sein Haus, das in diesem Jahr das Motto "Der Feind im Inneren" gewählt hat - es geht um jenen Feind, dem man morgens im Spiegel begegnet. Da liegt es nahe, die Saison mit Heinrich von Kleists Psychodrama "Prinz von Homburg" zu eröffnen, in der Regie des jungen David Bösch. Ganz hartes Stück, erzählt Kušej seinen Gästen, schließlich hat er sich selbst auch einmal an dem Klassiker abgearbeitet: "Da bist du morgens um sechs aufgestanden, hast schwarzen Kaffee getrunken und geglaubt, du hast Kleist richtig gut drauf, und dann verlierst du dich um halb zehn heillos in zwei Zeilen und hast nichts mehr verstanden. . ."

Offenbar ist das Verständnis beim Münchner Publikum vorhanden, nach der Aufführung wird vor allem der Hauptdarsteller Shenja Lacher ausgiebig bejubelt, der sich immer mehr zum Star des Hauses entwickelt: Er spielt einen Prinzen zwischen Überheblichkeit, Larmoyanz und Tatendrang, einen todesmutigen Befehlsverweigerer, der grandios kollabiert und umso schöner wieder aufsteht. Auch für Oliver Nägele ist es ein prächtiger Abend, den Zuschauerreaktionen nach zu urteilen - das Publikum liebt ihn als mitfühlenden Herrscher, ob als König Ludwig I. von Bayern oder wie hier als Kurfürst von Brandenburg.

Schade nur, dass es die meisten Zuschauer so halten wie die Besucherin Senta Berger, die ganz schnell wieder weg ist. Die Premierenfeier findet, da die Theatergastronomie nach der Vorführung geschlossen ist, im engeren Kreis der Darsteller und Freunde in der Kellerkantine statt, bei Bier und belegten Broten. Der große Resi-Rausch bleibt aus; am nächsten Abend ist mit dem Stück "Die Netzwelt" ja gleich wieder Premiere. Vielleicht will man ja auch die Kräfte schonen - für den großen Showdown im Oktober.

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