Szenarien zum Flughafen-Entscheid:Was nach dem Wahltag passiert

Kommt die dritte Start-und-Landebahn am Münchner Flughafen oder wird das Projekt zu den Akten gelegt? Wie auch immer die Entscheidung der Bürger am Sonntag ausgeht - sie wird weitreichende Konsequenzen haben. Zwei Szenarien.

Marco Völklein

Die Nervosität steigt. Egal ob Befürworter oder Gegner einer dritten Start-und-Landebahn am Flughafen - alle rechnen mit einem knappen Ergebnis. Klar ist nur: Mittlerweile haben mehr als 112.000 Münchner die Briefwahlunterlagen angefordert - zumindest eine der beiden Seiten dürfte damit das erforderliche Quorum von zehn Prozent der Wahlberechtigten (das entspricht etwa 104.000 Stimmen) erreichen. Aber was passiert nach dem Wahltag? Wie geht es mit dem Projekt weiter? Und welche Auswirkungen hat die Entscheidung auf die Landtagswahl im Herbst 2013? Zwei mögliche Szenarien sind denkbar.

Szenarien zum Flughafen-Entscheid: Kommt die dritte Start-und-Landebahn am Münchner Flughafen - oder kommt sie nicht? Darüber wird am 17. Juni entschieden.

Kommt die dritte Start-und-Landebahn am Münchner Flughafen - oder kommt sie nicht? Darüber wird am 17. Juni entschieden.

(Foto: Marco Einfeldt)

Szenario 1:

Die Befürworter gewinnen

Die Jubelreden dürften sicher schon vorbereitet sein. Von einem "starken Signal für den Wirtschaftsstandort München" dürften dann die Befürworter aus SPD, CSU und FDP sprechen. Und von einem "guten Tag für München und ganz Bayern". Vor allem aber wird Flughafenchef Michael Kerkloh hörbar aufatmen. Ein wichtiger Meilenstein wäre damit geschafft.

Doch vor ihm stehen noch weitere Hürden - vor allem juristische: Denn vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) sind 20 Klagen gegen das 1,2-Milliarden-Euro-Projekt anhängig. Unter anderem haben Betroffene, Kommunen und der Bund Naturschutz (BN) geklagt. "Diese Klagen werden wir weiter durchfechten", sagt Christine Margraf vom BN. Denn die Abstimmung ersetze nicht "die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses", also der Baugenehmigung.

Auch politisch dürfte der Druck nicht kleiner werden: Grüne und Freie Wähler haben bereits angekündigt, nach einer Zustimmung durch die Münchner weiter gegen das Projekt kämpfen zu wollen. Denn insbesondere die direkt Betroffenen in den Landkreisen Freising und Erding haben ja nicht abstimmen können. Auch die dortigen Ausbaugegner wollen weitermachen: "Notfalls", sagt Hartmut Binner, Sprecher des Aktionsbündnisses "Aufgemuckt" und pensionierter Polizist, "kette ich mich an die Bagger an."

Dieses Protestpotenzial ist es auch, das den weiteren Verlauf der Diskussion in der Landespolitik spannend machen dürfte. Denn vor einem Baubeginn muss Kerkloh erst noch die Zustimmung seiner drei Gesellschafter (also Freistaat, Bund und Stadt München) einholen.

Die Frage ist: Sollte der VGH, wie von Kerkloh erwartet, im Sommer 2013 entscheiden und den Weg frei machen für den Bau, stimmen Staatsregierung und Stadtspitze dann für den sofortigen Baubeginn? Denn im Herbst 2013 steht die Landtagswahl an - und fraglich ist, ob sich die Politiker kurz vorher gewalttätige Proteste ans Bein binden wollen.

Zumindest Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) dürfte ein gewisses Interesse daran haben, das Streitthema weiter köcheln zu lassen - treibt es doch einen tiefen Keil zwischen seinen SPD-Herausforderer Christian Ude und dessen mögliche Koalitionspartner von den Grünen und den Freien Wählern, beides vehemente Ausbaugegner.

Zudem muss Ude zunächst noch seine eigene Partei davon überzeugen, für das Projekt zu sein - bislang jedenfalls gilt noch ein Beschluss von 2009. Damals hatte sich die Bayern-SPD mehrheitlich gegen die dritte Startbahn gestellt. Im Juli soll ein Parteitag für Klarheit sorgen. Mit einer breiten Zustimmung der Münchner im Rücken dürfte sich Startbahn-Befürworter Ude dort wohl auch die Mehrheit sichern.

Szenario 2: Die Gegner gewinnen

Szenario 2:

Die Gegner gewinnen

Der Jubel dürfte bei den vom Ausbau am stärksten Betroffenen in den Landkreisen Freising und Erding wohl grenzenlos sein. "David gegen Goliath", so wird es wohl heißen, habe sich durchgesetzt. Tatsächlich verpflichtet ein Nein der Münchner die Stadtspitze dazu, in der Gesellschafterversammlung des Flughafens gegen den Ausbau zu stimmen. Da dort Einstimmigkeit geboten ist, wäre das Projekt zunächst tot.

Das Problem ist aber: Der Bürgerentscheid bindet die Stadt de jure nur ein Jahr lang. De facto aber, das hat OB Ude schon klar gemacht, wird sich die Stadt auch nach Ablauf dieser Bindungsfrist an das Votum halten. Auch den für Sommer geplanten SPD-Sonderparteitag zu dem Thema wird sich Ude bei einer Ablehnung durch die Münchner schenken.

Zumindest die Einigung mit den möglichen Koalitionspartnern Grüne und Freie Wähler wäre dann einfacher. Zugleich aber wird die CSU die Abstimmung wohl als Niederlage für Ude werten - und versuchen, parteipolitisch zu profitieren. Verlierer allerdings wären dann auch die beiden anderen Pro-Startbahn-Parteien CSU und FDP.

Auch juristisch wird der Streit weitergehen: Kerkloh will auch bei einer Ablehnung seiner Pläne einen "rechtskräftigen Beschluss" und damit Baurecht vor dem VGH erstreiten. Was man anschließend mit einem solchen Gerichtsentscheid machen werde, ließ er offen. Möglich wäre, den Entscheid in die Schublade zu legen - und zu warten.

Sollte sich, wie von Kerkloh und der Lufthansa erwartet, die Nachfrage nach Flügen tatsächlich in den kommenden Jahren anziehen, könnte man später einen erneuten Anlauf für das Großprojekt starten. Seehofer, Ude und Co. hätten dann aber die verzwickte Aufgabe, das Vorgehen politisch zu legitimieren. Anfang der Woche hatte Seehofer angekündigt, die Wahl 2013 zur Abstimmung über die Startbahn machen zu wollen, sollten die Münchner das Projekt mehrheitlich ablehnen.

Auch einen bayernweiten Volksentscheid schloss er nicht aus; wobei allerdings Fachleute da verfassungsrechtliche Bedenken hegen. Seehofer allerdings behauptet, seine Juristen in der Staatskanzlei hätten dazu einen Weg gefunden. Welchen genau - darüber schweigt sich Seehofer (noch) aus.

Theoretisch möglich wäre auch, dass die Stadt ihren 23-Prozent-Anteil am Flughafen verkauft, etwa an den Freistaat. Dann könnten die beiden verbliebenen Gesellschafter (zumindest juristisch) das ablehnende Votum der Münchner ignorieren. Einen entsprechenden Vorschlag hatte Seehofers Staatskanzleichef Thomas Kreuzer (CSU) zuletzt gemacht.

Doch Ude hat solche "Tricksereien" bereits kategorisch abgelehnt. Er werde den Bürgerwillen auf jeden Fall akzeptieren, erklärte der OB. Auch Kerkloh sieht eigentlich keinen Ausweg, keinen "Plan B". "Ich mache mir da keine Illusionen", sagt der Flughafenchef: "Bei einer Ablehnung am Sonntag liegt das Projekt für lange Zeit auf Eis."

Alle wichtigen Fakten zum Bürgerentscheid am 17. Juni lesen Sie hier.

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