SZ-Serie: Unbezahlbar schön:Fertig mit den Nerven

Michael Conti-Czischka, Schauspieler, Richard-Strauss-Straße 19 (Parterre), Bogenhausen

Verzweifelt: Michael Conti-Czischka muss Ende Juni aus seiner geliebten Wohnung ausziehen. Eine neue Bleibe hat er noch nicht gefunden.

(Foto: Florian Peljak)

Der Vermieter kündigte wegen Eigenbedarfs. Nun muss der 72-jährige Michael Conti-Czischka aus seiner Wohnung raus

Protokoll von Ellen Draxel, Bogenhausen

Michael Conti-Czischka ist viel herumgekommen in seinem Leben. Der Mann war früher Schauspieler, hatte Engagements am Deutschen Theater, am Theater am Platzl und am Volkstheater. Auch in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen spielte er mit, unter anderem im "Arzt von St. Pauli" an der Seite von Curd Jürgens und Fritz Wepper und in der Serie "Der Alte". Sein Refugium aber blieb immer seine Drei-Zimmer-Wohnung an der Richard-Strauss-Straße. Seit 57 Jahren lebt der 72-Jährige nun schon hier - jetzt muss er raus. Hier erzählt er seine Geschichte:

"Ich bin völlig fertig mit den Nerven. Jahrzehntelang wohnte ich direkt am Mittleren Ring, dann wurde unter viel Lärm und Schmutzbelastung der Tunnel gebaut. Kaum war er fertig und die Gegend endlich ruhig und grün, verkaufte die damalige Eigentümerin meine Wohnung. Der neue Vermieter, ein Handwerksmeister, dessen Vater eine große Sanitärfirma besitzt, kündigte mir kurz darauf wegen Eigenbedarfs. Angeblich lebt er mit knapp 30 Jahren noch im Kinderzimmer seines Elternhauses. Seinem Vater gehören in derselben Anlage weitere Wohnungen, bis zuletzt hatte ich gehofft, er würde in eines dieser Appartements ziehen. Aber genau meine Wohnung muss es sein. Ich habe mich gewehrt, habe ihn gefragt, ob ich drin bleiben kann, wenn ich mehr Miete bezahle. Er sagte: Nein. Es kam zur Räumungsklage, mein Vermieter bekam Recht. Jetzt muss ich bis zum 30. Juni ausgezogen sein.

Aber wohin? Ich habe zwar mein ganzes Leben lang gearbeitet und Sozialversicherungsbeiträge einbezahlt, beziehe aber nur eine kleine Rente. Für die Miete bekomme ich deshalb den Höchstsatz bezuschusst. Alles, woran ich hänge, steckt in dieser Wohnung. Ich habe bei den großen Wohnungsgesellschaften nachgefragt, ob sie mir vielleicht etwas anbieten können. Die Dame bei der Gewofag, mit der ich telefonierte, sagte mir, ich müsse in München froh sein, überhaupt eine Ein-Zimmer-Wohnung zu bekommen. Wenn ich aber, wie vom Sozialamt gefordert, in ein Ein-Zimmer-Appartement mit gut zwanzig Quadratmetern umziehe, muss ich all meine Raritäten abgeben. Antiquitäten, Ölgemälde, Bücher, Schallplatten. Ich habe Tempelschnitzereien aus China, ein Skarabäus-Amulett aus Ägypten. Einen Aztekenstein aus Mexiko und Vasen, wie man sie sonst nur noch in Schlössern findet. Das kann man doch alles gar nicht mehr kaufen. Etwas mehr als 600 Euro warm kostet meine 76-Quadratmeter-Wohnung derzeit an Miete. Bis jetzt habe ich keine andere Bleibe gefunden. Ich würde überall innerhalb Münchens hinziehen, solange die Wohnung nur etwas größer ist und einen Balkon hat.

In meiner Verzweiflung habe ich sogar schon eine Karte in den Opferstock der Sankt-Michaels-Kirche in der Fußgängerzone an der Neuhauser Straße geworfen. Kurz darauf meldete sich ein Pater bei mir, bot seine Hilfe an. Die Kirche bemüht sich jetzt, genauso wie der Mieterverein, der mich seit Jahren unterstützt. Sie möchten nicht, dass ich im Wohnheim lande.

Gentrifizierung, die Verdrängung oft langjährig ansässiger Menschen aus ihren Vierteln, ist nicht immer die Geschichte vom bösen Spekulanten. Oft gibt es auch andere Ursachen. Im Ergebnis aber wiederholen sich die Phänomene: Münchner ziehen aus der Innenstadt weg, wechseln in kleinere, bezahlbare Wohnungen oder verlassen die Stadt, die sie sich nicht mehr leisten können. Am Dienstag lesen Sie, wie München angesichts der Wohnungsproblematik mit Wachstum umgeht.

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