SZ-Serie: Mensch und Tier, Folge 2:Zur Begrüßung eine Kopfnuss

Tierpfleger Thomas Kaindl hat seit einigen Wochen einen neuen Arbeitsplatz: Statt für Löwen ist er jetzt für Pferde und Kamele zuständig. Der Umgang mit Raub- und Fluchttieren könnte unterschiedlicher nicht sein

Von Philipp Crone

Wer 19 Jahre lang bei den Raubtieren war, den kann nichts mehr aus der Ruhe bringen, oder? Seit fünf Wochen hat Thomas Kaindl, 42, Statur wie ein aufgerichteter Löwe, eine neue Aufgabe. Er muss richtig ran an die Tiere. Und sie sind groß, wiegen bis zu einer Tonne und stupsen zur Begrüßung gerne mal mit dem Kopf an seinen.

Kaindl steht an einem Morgen im September schweißgebadet und mit Sägespänen auf dem dunkelblauen Hellabrunn-Shirt vor seinem Bereich. "Willkommen bei den Kamelen", sagt er, und es ist zu hören, dass der Mann von hier kommt. In Freising geboren und aufgewachsen, in Hellabrunn gelernt - und jetzt also Trampeltiere, wozu die Familie der Kamele gehört (zwei Höcker). Die stehen an diesem Morgen noch in ihrem Stall auf der kleinen Außenanlage. Wenn sich Kaindl umdreht im Hof dieses Stalls, schaut er auf Türen, auf denen mit Kreide geschrieben steht: "Twana, geboren am 28.5.2008" Dort lebt ein Przewalski-Pferd, ein asiatisches Wildpferd.

"In meiner Ausbildung als Zoo-Tierpfleger habe ich ja alle Tiere kennengelernt", sagt Kaindl, allerdings nicht Genius oder Sultan, die Kamele, die ihn anstarren, als Kaindl das Gehege betritt. Er war schon um sieben Uhr am Morgen da und hat ein erstes Mal alles inspiziert und gereinigt. Dabei musste er sich erst wieder daran gewöhnen, wie man sich in einem Gehege mit Tieren bewegt. Zu den Raubtieren ging er nur, wenn die nicht im Gehege waren. "Die Kamele sind zwar Haustiere und dadurch an den Menschen gewöhnt, aber man darf sie trotzdem nicht erschrecken." Also geht Kaindl immer von vorne auf sie zu, damit sie ihn sehen. "Man muss das Gesichtsfeld der Tiere kennen und ihnen immer eine Fluchtmöglichkeit lassen." Die Tiere blicken zur Tür, als Kaindl in das Gehege kommt, "die kennen das Schlüsselrasseln, und davon geht immer etwas Positives aus", sagt er. Futter, Abwechslung, Streicheleinheiten.

Mensch und Tier

80 Tierpfleger kümmern sich in Hellabrunn um Zebras, Giraffen und Co. Ein Pfleger ist immer für mehrere, zum Teil ganz unterschiedliche Tierarten zuständig, etwa für Adler und Ameisenbär oder Wolf und Mara. Meist arbeiten die Angestellten viele Jahre mit denselben Tieren, kennen einander - und scheinen auch oft gut zueinander zu passen. Die SZ stellt einige der Pfleger vor.

Bei der Morgenkontrolle schaut Kaindl den Tieren in die Augen, ob die vielleicht ein bisschen rot sind. Sind die Zähne in Ordnung? Hat sich ein Tier verletzt? Er begutachtet das Fell. Ist das stumpf? Und vor allem schaut er sich den Kot von Genius und Co an. Der muss mozartkugelgroß, fest und rund sein, damit Kaindl zufrieden ist. Genius lässt erst ein paar Kugeln fallen, ehe er auf Kaindl zugeht.

Die Tiere haben immer Heu und Stroh zum Fressen, manchmal bekommen sie aber, vor allem im Frühjahr, auch Weiden- und Buchenzweige, die "werden abgenagt bis auf den Stecken". Und nach Weihnachten natürlich die Christbäume. "Auf die stehen eigentlich alle Pflanzenfresser, sogar die Löwen mögen die - zum Spielen."

Lilo schaut ein wenig skeptisch, aber Sultan kommt gleich auf Thomas Kaindl zu, Höckerhöhe zweieinhalb Meter, und schnuppert und stupst ihn an. "Das ist wie bei uns das Händeschütteln", sagt der Pfleger und krault Sultan den Hals. Sultan kackt, Kaindl lacht und streicht ihm durch das Fell, mit dem sich das Tier in seinem angestammten Habitat, etwa der Mongolei, gegen Temperaturen von bis zu minus 40 Grad schützt. "Normalerweise werden Kamele etwa 20 Jahre alt", sagt Kaindl und schaut Sultan eine Weile in die Augen.

SZ-Serie: Mensch und Tier, Folge 2: Ein Stupser mit dem Kopf "ist wie bei Menschen das Händeschütteln", sagt Thomas Kaindl über das Verhalten der Kamele.

Ein Stupser mit dem Kopf "ist wie bei Menschen das Händeschütteln", sagt Thomas Kaindl über das Verhalten der Kamele.

(Foto: Robert Haas)

Sultan ist 20. "Ich war schon als Kind von Tieren fasziniert", sagt der Pfleger, sein Bruder und er hatten Haustiere, und die drei Jahre in der Ausbildung "sind im Flug vergangen". Auch sein Privatleben dreht sich häufig um Hellabrunn, er ist mit der Bereichsleiterin liiert.

Im Innenhof der Stallungen sind Tafeln aufgehängt, manche Tiere bekommen besonderes Futter, wenn Kaindl hier morgens das erste Mal mit dem Saubermachen und der Tierinspektion durch ist, kommen die Zwergziegen und Mesopotamische Damhirsche dran. "Bis neun Uhr muss ja immer alles sauber sein", denn dann kommen die Besucher. Und Kaindl macht sich mit seinem Fahrrad so langsam zur Morgenbesprechung auf.

Um halb zehn treffen sich alle Pfleger zur Besprechung samt Brotzeit. Da tauscht man sich mit den Kollegen aus, plant mit den Handwerkern zusammen, wie der Rest des Tages am besten aussehen sollte. Dann geht es nach dem Treffen in die Stallungen, die auch gereinigt werden, ehe Kaindl nach der Mittagspause ein zweites Mal die Gehege reinigt und nachfüttert.

Am Nachmittag werden zum Beispiel auch regelmäßig Kotproben der Tiere untersucht. "Früher hat man die Tiere permanent mit Medikamenten entwurmt, heute macht man das nur noch, wenn sie wirklich einen Wurm haben." Und nach Feierabend sitzt Kaindl dann auch mal mit seiner Freundin zusammen und sie diskutieren die großen Tierthemen. Zum Beispiel: Will man wieder Wildtiere in Deutschland? "Wolf, Fuchs oder Bär, die sind ja eigentlich heimisch hierzulande." Aber wenn ein Bär wie damals Bruno durch die Lande streift, "gibt es große Aufregung". Einige Menschen kritisierten die Tierhaltung im Zoo, "wenn sich nun aber der Bär wieder in Deutschland ausbreiten würde, wären sie auch unglücklich". Was man machen muss, wenn man einem Kamel begegneten, ist klar: Ganz ruhig auf die Begrüßungskopfnuss warten.

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