Fredl Fesl:"Mach irgendwas, Hauptsache, du bleibst möglichst lange auf der Bühne"

Fredl Fesl: "Bei dera Kirch is des der Wurm, da hängen d' Glock'n frei im Turm, damit oam von dem frommen Klang, koa oanzigs Phon entgehen kann." (Fredl Fesl)

"Bei dera Kirch is des der Wurm, da hängen d' Glock'n frei im Turm, damit oam von dem frommen Klang, koa oanzigs Phon entgehen kann." (Fredl Fesl)

(Foto: Catherina Hess)

Die Liedermacher-Karriere von Fredl Fesl begann in Garching-Hochbrück - durch einen Zufall. Sein Lied über den Glockenlärm im Viertel tat das Übrige.

Von Oliver Hochkeppel

Er war tatsächlich seit fast 30 Jahren nicht mehr hier, bestätigt Fredl Fesl. Hier in Garching-Hochbrück auf dem kleinen Platz zwischen der Kirche Sankt Franziska Romana mit ihrem freistehenden Glockenturm, der eigentlich nur aus zwei aufragenden, schmalen Betonwänden besteht, zwischen denen zwei große Glocken freischwingend aufgehängt sind.

Direkt gegenüber dem Platz, in der Jahnstraße 6, steht ein unscheinbares Wohnhaus. Etwa vier Jahre lang, bis 1978, hat Fesl darin gewohnt. Genau in der Zeit, als er zum Inbegriff des witzigen, "melankomischen" bayerischen Liedermachers wurde. Mit stets von langen, gewundenen Vorreden umrahmten Stücken wie dem legendären "Königsjodler", dem "Taxilied", in dem Hochbrück ebenfalls vorkommt, oder dem "Glockensong".

Letzterer beginnt mit dem Ort, an dem Fesl jetzt wieder steht: "Ich wohne in der Vorstadt draus'/ in einem kleinen Siedlungshaus,/ da leb ich ruhig, da leb ich gern,/ die Autos hört man nur von fern./ Schau ich daheim zum Fenster naus,/ steht vis-à-vis das Gotteshaus." Fesl lebte aus gleich mehreren Gründen durchaus gern in Garching-Hochbrück. Einmal, weil die Wohnung bezahlbar war - schon damals waren die Mieten in vielen Teilen Münchens schon ziemlich gesalzen. Dann, weil die Siedlung noch rundum von Natur umgeben war: "Das Beste an Hochbrück war für mich der Schleißheimer Wald, das war mein Schwammerlwald. Im August und September war ich dort wochenlang im gelben Overall unterwegs und habe Pilze gesucht, vor allem Steinpilze."

Der entscheidende Vorteil aber war, dass Hochbrück für Fesls Lebensmittelpunkte zentral gelegen war: zwischen Freising, wo der gelernte Kunstschlosser 1970 eine eigene Werkstatt eröffnet hatte, und Berg am Laim, wo Fesl beim Eisenbahner Sportverein seiner damals größten Leidenschaft nachging, dem Gewichtheben. Zweimal war er oberbayerischer Juniorenmeister, fast täglich fuhr er zum vierstündigen Training.

Danach ging es ab und an in eine Kneipe, und bald wurde das "Song Parnass" - zusammen mit dem MUH, der Drehleier und der Liederbühne Robinson Keimzelle einer neuen bayerischen Volksmusik- und Liedermacherszene - in der Einsteinstraße sein Stammlokal. "Für drei Mark Eintritt den ganzen Abend flippern, a guade Musik und die Leut ham mia g'fallen. Dann hab' ich gesehen, dass die Leut' mit einer Gitarre unter dem Arm immer durchgewunken wurden und keinen Eintritt zahlen mussten. Also hab' ich irgendwann mal auch meine Gitarre aus Hochbrück mitgenommen."

Bloß keine Volksmusik

Dabei hatte Fesl zu dieser ersten Hochbrücker Zeit noch wenig mit Musik am Hut. Auch wenn die Grundlagen bereits da waren. Sein Vater, der bis 1960 eine Gaststätte in Greding hatte, sich dann aber beim Ausländeramt im Polizeipräsidium in der Ettstraße anstellen ließ, war sehr musikalisch und leitete nebenbei mehrere bayerische Blaskapellen.

Schon früh sollte der kleine Fredl deshalb Klarinette und Akkordeon spielen. "Das hat mir überhaupt keinen Spaß gemacht. Über's Akkordeon hab' ich nicht einmal drüber schauen können. Da ist gar nichts draus geworden." Mit der Trompete ging's ihm dann schon besser. "Aber die ganzen Trachteng'schichten", sagt Fesl, "waren für mich ein Gräuel." Viel lieber hätte er Jazz oder Dixieland gespielt, das kam aber für den Vater nicht in Frage. Mit dem Gitarrespielen, erzählt Fesl, habe er erst während seiner Zeit bei der Bundeswehr begonnen.

Die Themen aus der Nachbarschaft

Im "Song Parnass" sollte er bald auf sie zurückkommen müssen. Als an einem Abend die Künstler ausfielen und der Laden voll war, kam der Wirt auf ihn zu: "Fredl, jetzt muaßt du spuin. Mach irgendwas, Hauptsache, du bleibst möglichst lange auf der Bühne." Für Fesl war das erst schon mal ein Problem. "Ich hab' ja nichts gehabt, konnte nur drei alte Volkslieder spielen. Dann hab ich halt lang und breit dem Publikum erklärt, warum ich da auf der Bühne stehe", erzählt er. Mit dem Herumreden und den drei Liedern sind es doch mehr als eineinhalb Stunden auf der Bühne geworden. "Die Leute haben sich gebogen vor Lachen", sagt Fesl, "und danach hab' ich mir gedacht, das musst du am nächsten Abend wieder so machen. Und so ging's dann weiter, Abend für Abend."

Die Karriere war damit nicht mehr aufzuhalten, und ein Lied über Hochbrück trug maßgeblich dazu bei. "Als ich in Hochbrück eingezogen bin, hatte die Kirche überhaupt keine Glocken. Es ist ihnen beim Bau in den Sechzigerjahren wohl das Geld ausgegangen, und sie haben erst lange für die Glocken sammeln müssen. Es war wunderbar." Was dann passierte, erzählt der "Glockensong" originalgetreu: "Doch eines Tags in aller Früah,/ da sagt mei Nachbarin zu mir/ ja Morg'n kriag ma neue Glock'n,/ mei liabe Zeit bin i derschrock'n./ Um sieb'n Uhr morgens in der Nacht,/ da hat's auf einmal furchtbar kracht/ i lieg an Meter über mei'm Bett,/ und denk des gibt's doch ned./ Der Christen fromme Lämmerschar,/ die hat gesungen wunderbar,/ der Pfarrer hat sein' Herrn gelobt,/und drüber hat die Glock'n tobt./ Bei dera Kirch is des der Wurm,/ da hängen d' Glock'n frei im Turm,/ damit oam von dem frommen Klang/ koa oanzigs Phon entgehen kann."

Auch in Prosa kann sich Fredl Fesl noch heute lebhaft an seine Hochbrücker Zeit erinnern: "Das Problem war, dass sich dort nicht nur die Katholischen, sondern auch die Evangelischen getroffen haben. Die ham' sich dann scheinbar gestritten, wer länger läuten darf. Die ham' einfach nimmer aufg'hört. Wennst Fernsehen g'schaut hast, host voll aufdrahn müss'n, dass'd was verstanden host."

Der Song, mit dem er damals seinem Ärger über den Glockenlärm Luft machte, wurde im BR zunächst nicht gespielt, weil man den Text für "kirchenfeindlich" hielt. Erst nachdem er in Baden-Württemberg rauf und runter lief, war der Widerstand gebrochen. 1978 ist Fesl dann weggezogen aus Hochbrück, aber nicht wegen der Glocken. Er konnte sich damals einen Bauernhof bei Haag kaufen, auf dem er dreizehn Jahre lang gewohnt hat.

Besonders sentimental wirkt Fesl nicht bei der Wiederbegegnung mit den Hochbrücker Glocken. Es graut ihm eher vor der Heimfahrt nach Pleiskirchen, wo er jetzt wohnt. Denn wenn es im Wagen heiß wird, spürt er seine Parkinson-Erkrankung stärker, die 1997 diagnostiziert wurde und wegen der er seit 2006 keine Auftritte mehr bestreiten kann.

Nur noch zu besonderen Anlässen chauffiert ihn seine Frau Monika dann in die Stadt, etwa zur Premiere des Fredl-Fesl-Programms der Monaco Bagage, zur Premiere seiner Biografie "Ohne Gaudi is ois nix" - oder eben zur Begegnung mit der Vergangenheit beim Fototermin in Hochbrück.

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