SZ-Serie: Feuer & Flamme, Teil 7:Auch Bier kann den Brand löschen

Weil die Stadt zu wenig zum Schutz unternahm, gründeten Bürger die Freiwillige Feuerwehr

Von Wolfgang Görl

Es ist der frühe Morgen des 13. Februar 1327. München schläft. Doch "beim ersten Hahnenschrei", so steht es im "Stifterbuch der Barfüßer und Klarissen", bricht im Angerkloster ein Brand aus. Weshalb sich das Feuer entzündete, ist nicht ganz klar. Einige Quellen raunen von einem Stück glühender Kohle, das beim Anschüren des Klosterofens unbemerkt zu Boden gefallen war; andere vermuten den Brandherd in der benachbarten Kerzenzieherei Bernlochner. Was immer die Ursache ist: Die Folgen sind katastrophal. Alle Versuche, das Feuer zu löschen, schlagen fehl, Kloster und Wachswerkstatt brennen lichterloh, vom Wind angefacht, greifen die Flammen auf die Nachbargebäude über. Es dauert nicht lange, bis die Feuersbrunst die Kirche St. Peter erreicht, der Turm samt seinem hölzernem Umgang brennt wie eine Fackel. Auch das Heiliggeistspital wird eingeäschert, ebenso Teile der Burg und die Gebäude im Tal. Bis zum folgenden Tag wütet das Feuer, am Ende liegt ein Drittel der Stadt in Schutt und Asche. Hermann Sack, der Chronist des Franziskanerklosters, notiert: "Und seun yber 30 perschon im feur verdorben."

Mittelalterliche Städte waren stets gefährdet, Schauplatz eines Infernos zu werden. Innerhalb der Stadtmauern standen die Gebäude oft dicht beisammen, Holz war der gängige Baustoff, die Dächer waren in der Regel mit Schindeln, Brettern oder Stroh bedeckt. In den Haushalten gab es offene Feuerstellen, auch viele Handwerker nutzten die Flammen im Arbeitsprozess. Eine Unachtsamkeit genügte, um einen Brand zu entfachen. Wenn das Feuer nicht im frühen Stadium gelöscht wurde, war ein Großband mit verheerenden Folgen kaum noch zu vermeiden. Ein wild loderndes Flammenmeer einzudämmen, hatten die Menschen nur wenig wirksame Mittel. Nicht zuletzt deshalb bemühten sich der Münchner Rat sowie der Landesherr, die Brandrisiken per Bauvorschrift zu mindern. So erließ Kaiser Ludwig der Bayer im Mai 1342 ein Verbot von Stroh- und Schindeldächern, das aber nicht sonderlich Beachtung fand. Zudem empfahl der Herrscher, Häuser aus steinernen Materialien zu errichten. Rund 30 Jahre später, im Juli 1371, beschloss der Rat eine Verordnung, derzufolge in jeder Gasse nachts drei Wächter patrouillieren sollen. Zudem wurde jedes Haus verpflichtet, stets einen Zuber mit Löschwasser parat zu haben.

Historische Leiterübung

Zu einer Leiterübung versammelte sich die Feuerwehr zur Gründerzeit.

(Foto: Berufsfeuerwehr)

Eine Feuerwehr im modernen Sinn hatte München im Mittelalter nicht. Die Brandbekämpfung war Sache der Handwerker. In seinem Buch "Die Münchner Feuerwehr" schreibt Heinrich Schläfer: "Unter Führung eines Ratsherren hatten die Angehörigen der verschiedenen Zünfte bestimmte, im Stadtrecht festgelegte Aufgaben zu erfüllen: So mussten die Bader ihre Zuber, die Schäffler ihre Bottiche als Löschgeräte zum Einsatz bringen. Oft blieb aber nur als einzige Rettung, dass die Zimmerer mit ihren Äxten und die Maurer mit ihren Werkzeugen benachbarte Gebäude niederlegten, um so ein stadtweites Ausbreiten des Feuers zu verhindern."

Zu Beginn des 15. Jahrhunderts raffte sich die Stadt endlich auf, eigene Löschgeräte wie Wasserzuber, Fässer und Kupfergefäße zu erwerben. Gegen einen Großbrand konnten die mit den Löscharbeiten betrauten Handwerker auch damit wenig ausrichten. Am 22. April 1418 zerstörte ein Feuer große Teile der Graggenau und des Tals, auch am Rathaus, im Heiliggeistspital, an Stadtmauer und den Wachtürmen richteten die Flammen schwere Schäden an. Ähnlich verheerend war das Inferno, das Brandstifter am 30. April 1434 entfachten. Das Feuer brach in der Prannerstraße aus und fraß sich bis zur Rörenspeckergasse (heute Herzogspitalstraße) vor. Als Täter wurden die Söhne eines Schmieds sowie dessen Gesellen ausgemacht, auch andere verdächtige Personen wurden festgenommen und unter der Folter befragt - wofür Meister Hans, der Henker, mit 60 Pfennigen entlohnt wurde.

Jubiläumsprogramm

Ihr 150-jähriges Bestehen feiert die Freiwillige Feuerwehr München (FFM) das ganze Jahr mit einem Programm unter dem Motto "Firetage". Los geht es mit dem "Firetage-Festival": Am 23. und 24. April stellt sich die FFM gemeinsam mit anderen Organisationen auf der Theresienwiese vor. Am 29. Mai gibt es eine große Parade in der Ludwigstraße mit aktuellen und historischen Fahrzeugen. Bis September zeigen zudem die Abteilungen der FFM, wie sie arbeiten - die "Firetage vor Ort" starten am 16. April in der Abteilung Michaeliburg. Nur für geladene Gäste ist der Staatsempfang in der Münchner Residenz, und am 15. Oktober zelebriert Kardinal Reinhard Marx einen Festgottesdienst in der Frauenkirche und weiht die FFM-Original-Standarte aus dem Gründungsjahr 1866. Alle Termine: www.firetage.de. kut

Als im Juni erneut ein Feuer ausbrach, berief die Stadt sämtliche Hausbesitzer zu einer Versammlung ein, um Vorsorgemaßnahmen zu beraten. Noch im selben Jahr erließ der Magistrat eine umfassende Feuerlöschordnung. Im Jahr 1489 entschloss man sich zu einem Großeinkauf in Nürnberg. Im Auftrag des Magistrats orderte der Kaufmann Hans Ligsalz vier Kupferbehälter auf Schlittenkufen, zwölf Messingspritzen sowie zwei Ledereimer, nach deren Muster ein Münchner Schuhmacher 100 Stück anfertigte.

Die Vorkehrungen waren insofern erfolgreich, als es nunmehr in München - zumindest in Friedenszeiten - zu keinen Bränden mehr kam, die ganze Stadtviertel vernichteten. Die Gefahr einer katastrophalen Feuersbrunst blieb. Am 9. April 1674, so berichtet die Stadtchronik, schlief in der Residenz eine Kammerfrau im Licht einer Kerze ein, deren Flamme offenbar die Inneneinrichtung entzündete. Der Vierschimmelsaal und die Kaiserzimmer brannten aus, mit knapper Not retteten die Kurfürstin und ihre Kinder ihr Leben. Der Kurfürst Karl Albrecht selbst weilte zu dieser Zeit in Braunau. Da die Kammerfrau, Mademoiselle de la Perouse, Französin war, richtete sich der Volkszorn gegen alle Fremden am Hof, die man zudem beschuldigte, das Land auszusaugen. Die Kurfürstin aber erholte sich nicht mehr vom Schock der Katastrophe. Den zeitgenössischen Quellen zufolge hat sie bei dem Brand gesundheitliche Schäden erlitten, an denen sie zwei Jahre später starb.

SZ-Serie: Feuer & Flamme, Teil 7: Eine Feuersbrunst suchte die Residenz 1750 heim. Die Flammen legten den Osttrakt in Schutt und Asche, acht Menschen starben.

Eine Feuersbrunst suchte die Residenz 1750 heim. Die Flammen legten den Osttrakt in Schutt und Asche, acht Menschen starben.

(Foto: Münchner Stadtmuseum)

Bei Großbränden war es nach wie vor fast unmöglich, der Flammen Herr zu werden. Immerhin, im Laufe des 17. Jahrhunderts verbesserten sich die Möglichkeiten, ein Feuer zu bekämpfen. In Nürnberg baute der Mechaniker Hans Hautsch erstmals Windkessel in die Feuerspritzen ein, die damit erheblich effektiver wurden. Der Amsterdamer Brandmeister Jan van der Heyden erfand funktionstüchtige Wasserschläuche, welche die Beweglichkeit der Löschtrupps erhöhten. Vorbeugen aber blieb oberstes Gebot. 1684 organisierte der städtische Rat das Sicherheitswesen neu: Neben dem Wachdienst der Türmer wurde eine Nachtwache eingerichtet.

Am 5. März 1750 suchte die Residenz erneut eine "erschröckliche Feuers Brunst" heim. Innerhalb von fünf Stunden legten die Flammen den Osttrakt in Schutt und Asche. Der Stadtchronist schreibt: "Das Fräulein von Wolfskehl fiel mit einer gebrochenen Stiege ins Feuer und verbrannte. Laut anderer Aussage verbrannte sie im Bett. Zwei weitere Personen sprangen aus dem Fenster und starben bald darauf ebenfalls." Insgesamt gibt es acht Tote. Unter dem Eindruck der Katastrophe erließ Kurfürst Max III. Joseph 1751 eine "Neu-verfaßte Feur-Ordnung", in der die Liste der Vorschriften erweitert wurde. Wie es im Falle eines Brandes gegen Ende der Kurfürstenzeit zuging, schildert der zeitgenössische Publizist Lorenz von Westenrieder: "Die hiesigen Feueranstalten sind vortrefflich. So bald die Wache in der Gasse, wo ein Feuer ausbricht, ihr Gewehr losbrennt, schlägt man von der Hauptwache durch alle Gassen Allarm. Ein Trompeter zu Pferd thut des gleichen. Auf beyden Pfarrthürmen wird mit dem Feuerhorn geblasen, Sturm geläutet, und beym Tag eine Fahne, bey der Nacht eine Laterne nach dem Ort ausgehängt, wo Gefahr vorhanden ist. So bald diese gemeldet worden, marschiren die Regimenter aus den Kasernen, mit ihren Dornistern, nach den ihnen schon bestimmten Pläzen. Ein Theil derselben geht schleunig zu Rettung ab. Jeder Bräuer, und Brandtweiner eilet mit seinem Wassereimer, und der erste bekommt eine Belohnung. Vom Hof und dem Stadthaus, in welchem letzten das ganze Jahr die nöthigen Vorkehrungen bereit stehen müssen, werden Feuerleitern, Hacken, Spritzen etc. herbeygeführt. Kaminfeger, Zimmerleute etc. verrichten ihre Dienste, und die Gefahr ist gewöhnlich bald bekämpft."

Derart zufrieden mit dem Löschdienst war im Verlauf des 19. Jahrhunderts nicht jeder in München. Sowohl König Ludwig I. als auch König Max II. warfen dem Magistrat vor, den Brandschutz zu vernachlässigen. 1851 beauftragte Max II. den Ingenieur Franz von Hörmann, das städtische Feuerwehrwesen unter die Lupe zu nehmen. Hörmanns Ergebnisse waren beängstigend. Dabei kam heraus, dass noch immer 1175 Häuser, darunter öffentliche Gebäude, mit Schindeln bedeckt waren - obwohl Kaiser Ludwig die Holzdächer bereits 1342 verboten hatte. Aus Holz war auch der erste Münchner Bahnhof gezimmert. Er ging Anfang April 1847 vollständig in Flammen auf. Gut 20 Jahre zuvor, am 14. Januar 1823, war das Königliche Hoftheater bis auf die Grundmauern abgebrannt, nachdem während einer Vorstellung die Dekoration Feuer gefangen hatte. Weil die Löschwasserteiche zugefroren waren, wurde der Brand angeblich mit Bier aus dem Hofbräuhaus bekämpft - mit sehr mäßigem Erfolg. Angesichts solcher Missgeschicke wundert es nicht, dass Hörmann in seinem Gutachten eine Berufsfeuerwehr empfahl. Der Magistrat überhörte die Anregung geflissentlich, weil er die Kosten scheute.

Nachdem München im Verlauf des 19. Jahrhunderts zur Großstadt gewachsen war, dämmerte es selbst dem sparsamsten Ratsherrn, dass das Feuerwehrwesen modernisiert werden müsse. Zunächst aber waren es die Bürger selbst, die die Initiative ergriffen. Als Avantgarde fungierte die Turnerschaft, die 1848 eine Feuerwehr aufstellte. Weil aber die Turner liberal und somit demokratischer Umtriebe verdächtig waren, beendete die Obrigkeit bereits zwei Jahre später das Projekt. 1866 machten sich die Bürger, angeführt von Julius Knorr, dem Verleger der Münchner Neuesten Nachrichten, erneut daran, eine effektive Truppe aufzustellen. Am 10. September schließlich wurde die Freiwillige Feuerwehr München gegründet. Den Baumeister Reinhold Hirschberg berief man zum Kommandanten, Vereinsvorstand wurde Stadtbaurat Arnold von Zenetti, der zu einem der wichtigsten Pioniere der Münchner Feuerwehr avancierte.

In den folgenden Jahren aber stellte sich heraus, dass die Freiwilligen allein überfordert waren. München benötigte auch eine Berufsfeuerwehr. Am 1. Juli 1879 nahmen 24 hauptamtliche Feuerwehrleute ihren Dienst am Heumarkt auf. Gelöscht wurde mit einer englischen Dampfspritze, später kam eine Dampfspritze aus der Lokomotivenfabrik Krauss hinzu. So hatte die Stadt, welche die Brandbekämpfung jahrhundertelang eher nebenher betrieb, mit einem Mal zwei Feuerwehren: eine freiwillige und eine hauptamtliche. Mit Bier musste seither kein Brand mehr gelöscht werden.

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