Ferientouren durch München:Stadt der tausend Brücken

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Auf der Hackerbrücke genießen junge Münchner die Abendsonne. (Foto: Robert Haas)

Am Anfang stand ein Brückenschlag über die Isar. Inzwischen zählt München etwa 1000 kleine und große Bauwerke - darunter architektonisch ausgefallene Konstruktionen.

Von Thomas Anlauf

München ohne Brücken - ein geradezu absurder Gedanke. Das wäre wie Venedig ohne Vaporetto, oder womöglich: die Isar ohne Landeshauptstadt. Wenn es vor fast 860 Jahren nicht diesen unfreundlichen Akt des Welfen Heinrich des Löwen gegeben hätte, der bei Föhring die einzige Isarbrücke weit und breit abfackeln und in der Nähe einer Mönchssiedlung am heutigen Petersbergl neu bauen ließ, wäre München vielleicht heute noch ein unbedeutendes Dorf südlich von Freising. Der Herzog von Sachsen und Bayern wollte sich bekanntlich den Brückenzoll auf der Salzroute sichern, den bis dahin der Freisinger Bischof einstrich.

Die neue Isarbrücke verband den steilen Osthang am Gasteig mit dem damals noch flachen Westufer, dort, wo heute die Ludwigsbrücke den Verkehr von Haidhausen in die Altstadt leitet. Die Brücke nördlich der Kohleninsel war Gold wert. Wohl nicht umsonst hieß die Straße, die von Reichenhall über Wasserburg nach München führte, wegen der Verdienstmöglichkeiten für Händler wie für die Stadt die "goldene", seit Heinrichs Vetter Kaiser Friedrich Barbarossa am 14. Juni 1158 München das Markt- und Münzrecht verlieh. In 1395 zählten die Zöllner knapp 26 500 Wagen mit bäuerlichen Waren und 3300 Wagen mit Kauffahrerfracht, wie der Münchner Autor Hermann Wilhelm in seinem Buch "Krieger, Kaiser, Kaufleute - die abenteuerliche Geschichte der Münchner Ludwigsbrücke(n)" (München Verlag) aufzählt.

Als sich die Münchner noch gegen den Bau von Brücken wehrten

Weitere einhundert Jahre später überquerten drei Mal so viele Fuhrwerke die hölzerne Brücke. Der Verkehr war so dicht, dass die Straße in Richtung Stadt bereits im Mittelalter mit Granitsteinen gepflastert war, während die leeren Wagen München auf einer ungepflasterten Trasse verließen. Ganz ungefährlich war die Flussquerung nicht: Immer wieder zerstörte die reißende Isar die Brücke. Die heutige Ludwigsbrücke aus dem Jahr 1935 ist eigentlich in innere und äußere Brücke zweigeteilt, woran auch der Straßenname "Zweibrückenstraße" erinnert.

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Die Brücke bescherte der aufstrebenden Stadt reichlich Einnahmen und die Märkte brummten. Trotzdem wehrten sich die Münchner jahrhundertelang dagegen, dass weitere Brücken über den oft unberechenbaren Gebirgsfluss gebaut wurden - "um die unliebsame Konkurrenz aus den Vorstädten fern zu halten", wie Christine Rädlinger in der "Geschichte der Münchner Brücken" (Franz Schiermeier Verlag) schreibt.

Erst 1804 entstand die Bogenhauser Brücke, 1832 folgte eine weitere direkte Verbindung zur Stadt: Die Reichenbachbrücke, damals noch eine Holzkonstruktion, verband die Vorstadt Au mit der heutigen Isarvorstadt. Die jetzige Brücke aus dem Jahr 1903 (sie wurde 1964 verbreitert) hat übrigens die gleiche Spannweite wie die südlicher gelegene Wittelsbacherbrücke, weil dort aus Kostengründen die selben Lehrgerüste verwendet wurden.

Die Stadt der tausend Brücken

Heute soll es etwa 1000 Brücken in München geben, von der einfachen Fußgängerbrücke über die knapp zwei Dutzend Isarbrücken bis hin zur spektakulären Schenkendorfbrücke, die 2009 eröffnet wurde. Über sie gelangen nicht nur Fußgänger und Radler über den Mittleren Ring, sondern auch die Trambahnen der Linie 23.

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Natürlich dienten viele Brücken schon früh nicht nur dem Verkehr, sondern auch der Zierde. Allein im Nymphenburger Schlosspark queren zahlreiche kleine Brücken die Kanäle, die Ludwig-Ferdinand-Brücke über den Nymphenburger Schlosskanal ist sogar eine architektonische Besonderheit. Die vom Königlichen Hofbauamt in Auftrag gegebene Brücke sollte nicht nur "den ästhetischen Anforderungen der nächsten Umgebung des Königlichen Schlosses und den beiderseitigen Alleestraßen in jeder Weise" entsprechen, sondern musste auch dem immer stärker werdenden Verkehr im Münchner Westen standhalten.

Nach den Plänen Friedrich von Thierschs entstand 1892 Münchens erste in Monier-Bauweise einbogige Straßenbrücke aus Eisenbeton. Sie zählt zu den wichtigsten Brücken der Stadt, über sie fließen nicht nur große Teile des Straßenverkehrs von und zur Stuttgarter Autobahn, auch zwei Trambahntrassen führen über sie hinweg.

In etwa zwei Kilometern Luftlinie von Schloss Nymphenburg entfernt befindet sich eine der am stärksten befahrenen Brückenbauwerke Europas: die 1972 ausgebaute Donnersbergerbrücke. In Sichtweite des 1124 Meter langen Bauwerks liegt eine Brücke, die symbolisch für den Aufstieg Münchens zur Großstadt steht. Über die Hackerbrücke schieben sich einmal im Jahr zwei Wochen lang Menschenmassen zum Oktoberfest auf der Theresienwiese, dann ist die 1890 bis 1894 gebaute Bow-String-Brücke weitgehend für den Autoverkehr gesperrt. Die Brücke war nötig geworden, als sich die Reichsbahn immer weiter ausbreitete und die Gleise zum Hauptbahnhof immer zahlreicher wurden.

Im Süden der Brücke liegt das einstige Arbeiterviertel Schwanthalerhöhe, viele Menschen hatten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hier eine Bleibe gefunden und arbeiteten bei der Bahn. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Brücke zerstört, 1953 rekonstruiert und in den Achtzigerjahren nach altem Vorbild saniert. Sie ist eine der wenigen erhaltenen schmiedeeisernen Bogenbrücken Deutschlands des 19. Jahrhunderts.

Auch heute tut sich die Stadt schwer mit neuen Brücken

Ein anderes Bauprojekt wäre beinahe am Widerstand der Münchner gescheitert. Als im Jahr 1868 damit begonnen wurde, in Giesing einen Bahndamm aufzuschütten, formierte sich dort eine Interessengemeinschaft, die von König Ludwig II. ein Eisenbahnviadukt statt eines Bahndamms zum Ostbahnhof forderte. Ludwig ließ den Bau stoppen, schließlich kam es zu einem Kompromiss, mit dem auch die Giesinger leben konnten. Wo der sogenannte Südring verläuft, fordern heute viele Münchner einen Ausbau dieser Trasse statt des Baus einer zweiten S-Bahn-Stammstrecke. Andere wollen, dass der alte Teil der Braunauer Brücke für Fußgänger freigegeben wird. Denn die Bahn fährt über eine 1958 gebaute Brücke neben dem rostenden Altbau.

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Brücken haben seit dem Mittelalter die Stadt geprägt, aber auch die Bevölkerung bewegt. Wie schwer sich die Stadt trotz ihrer Erfolgsgeschichte mit Neubauten tut, zeigt das Beispiel Klenzesteg: Seit drei Jahrzehnten fordern Stadtteilpolitiker den Bau einer Fußgängerbrücke von der Isarvorstadt in die Grünanlagen am Ostufer. Bis der Steg einmal steht, wird wohl noch viel Wasser die Isar hinunter fließen.

© SZ vom 05.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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