SZ-Lesercafé:Schützenswert versus wertvoll

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Foto: Robert Haas (Foto: N/A)

Der Abriss des Uhrmacherhäusls in Giesing führt zu intensiven Diskussionen

Eben noch hat Hans Hanfstingl geschimpft über das Landesamt für Denkmalpflege: dass es beim geplanten Umbau der Alten Akademie in der Fußgängerzone eingeknickt sei vor den Interessen der Investoren. Da sitzt ihm Amtschef Mathias Pfeil schon gegenüber. Er hat Hanfstingls Ärger im Vorübergehen mitbekommen und sich zu ihm gesetzt. Kontrovers debattieren die beiden darüber, was schützenswert und was sinnvoller Kompromiss ist, was Gesetze vermögen und Geld verdirbt. Überzeugen kann keiner den anderen. Immerhin steht am Ende des Disputs Pfeils Einladung an Hanfstingl, ihm im Landesamt einmal detailliert die Pläne zu erläutern.

Szenen wie diese entwickeln sich einige beim SZ-Lesercafé am Donnerstagabend im Zwischennutzungsprojekt Flostern in Obergiesing. "Gentrifizierung gegen Denkmalschutz: Geht München kaputt?", ist die Frage des Abends. Um die 150 Menschen kommen im Laufe der Zeit, viele auch aus anderen Stadtvierteln, in denen sie sich so einen bürgerschaftlichen Protest gegen die Beseitigung eines Baudenkmals gewünscht hätten wie nach dem illegalen Abriss des alten Uhrmacherhäusls an der Oberen Grasstraße.

Von diesem Engagement für den Denkmalschutz sind beim Lesercafé auch Generalkonservator Pfeil und Cornelius Mager als Leiter der Lokalbaukommission der Stadt angetan - und diskutieren vier Stunden lang intensiv in kleinen Runden. Zum Giesinger Fall sagt Mager: Einen Abriss hätte seine Behörde niemals zugelassen. Und nun, da das Uhrmacherhäusl in Trümmern liegt? "Wer mutwillig ein Denkmal zerstört, ist zur Wiedererrichtung verpflichtet", heiße ein Grundsatz, erläutert Mager. Die Frage sei jetzt, ob dem Verursacher ein mutwilliger Abriss nachgewiesen werden könne. "Wir ermitteln", sagt Mager und notiert während der Gespräche einige neue Hinweise, die den Verdacht erhärten könnten. Zugleich zerstreut er aber auch die vereinzelt geäußerte Hoffnung, dass ein derart rücksichtloser Investor enteignet werden könne: "Das Enteignungsrecht im Denkmalrecht gibt es leider nur für bewegliche Gegenstände, wenn also einer mit der Königskrone handelt, oder so."

Im Kontext eines so rüden Denkmalverlustes, das ist in den Gesprächen auch Thema, vergrößern die aktuellen Preislisten aus der nahen Paulaner-Neubebauung den allgemeinen Frust noch. Eine Diskutantin spricht offen davon, dass sie gute Lust bekomme, die eigenen Hausbesetzer-Erinnerungen an die Siebziger und Achtziger aufleben zu lassen.

© SZ vom 29.09.2017 / kast, soy - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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