SZ am Gardasee:Was Italiener über Deutsche denken

SZ am Gardasee: Zwischen Münchnern und Nicht-Münchnern, Bayern und Nicht-Bayern wird am Gardasee nicht unterschieden.

Zwischen Münchnern und Nicht-Münchnern, Bayern und Nicht-Bayern wird am Gardasee nicht unterschieden.

(Foto: Stephan Rumpf)

Am Gardasee sind die Deutschen gerne gesehen, sie gelten als besonders interessiert. Wenn sie sich nur nicht so schlecht anziehen würden.

Von Elisa Britzelmeier

Das Schöne am Gardasee: Alles ist wie daheim, nur mit besserem Wetter. In wenigen Stunden ist man da, Deutsch wird überall verstanden, und Augustiner gibt's auch. Denkt der eine. Das Schreckliche am Gardasee: Alles ist wie daheim, voller Münchner. Denkt der andere. Aber was denken eigentlich die Italiener? Wird doch ihr See Jahr für Jahr von den Deutschen in Beschlag genommen. Gut, das Italienerwochenende auf der Wiesn verspricht Revanche. Aber wie nehmen die Gardasee-Italiener die Münchner wahr - die im Urlaub und die daheim?

Nachgefragt bei Zweien, die es wissen müssen: Stefano Zenorini, 49, kommt aus Bardolino und lebt seit 15 Jahren in München. Der Liebe wegen zog er über die Alpen. Seine Partnerin, eine Münchnerin, lernte er am Gardasee kennen, als sie Urlaub machte - ein Klassiker. Matteo Chincarini, 28, aus Malcesine, ist vor eineinhalb Jahren seinem Freund nach München gefolgt, der wegen der Arbeit dorthin gezogen war.

"Es tut mir leid, das so zu sagen, denn die meisten Münchner sind sehr liebe Leute - aber sie ziehen sich im Urlaub wahnsinnig schlecht an", sagt Chincarini. Auch Stefano Zenorini hat vor allem Bilder von kurzhosigen Männern mit Sandalen und weißen Socken im Kopf, wenn er an die Touristen am Lago denkt. "Das hat sich aber gebessert in den letzten Jahren", findet er.

Matteo Chincarini hat in München verstanden: Für die Deutschen ist Bequemlichkeit wichtiger als für Italiener. Das Thema Kleidung wird auch von anderen Münchner Italienern heftig diskutiert - neben dem beliebtesten Thema: Wo bekommt man in München ordentliches Essen her? Die Begeisterung über den neuen Eataly am Viktualienmarkt war groß - genauso wie bei den italophilen Einheimischen.

"Für mich ist der Gardasee kalt"

Was Chincarini nach wie vor nicht so wirklich versteht, ist, wieso man überhaupt am Gardasee Urlaub macht. Da ist es natürlich schön, aber in Italien gibt es doch noch viel schönere Ecken, sagt er. Der Italiener an sich fährt lieber ans Meer. "Für mich ist der Gardasee kalt", sagt Chincarini. "Inzwischen habe ich aber kapiert, dass die Münchner einfach Sonne brauchen".

Er kann Geschichten aus seiner Kindheit erzählen, von der Oma, die ein kleines rotes Häuschen direkt am Ufer hatte - beliebtes Fotomotiv der Deutschen. Davor stellte sie ein Planschbecken auf - zur Verwunderung der Touristen, war doch der See keine zwei Meter weg. Aber für die Oma, sagt Chincarini, war der Lago nur der Fische wegen wichtig, und nicht zum Baden da.

Was man den deutschen Touristen zugute halten muss: Sie gelten als besonders interessiert. "Viele suchen das Nicht-Touristische, fahren auch in die Dörfer im Hinterland, das gefällt mir", sagt Zenorini. Wenn man sich an den Hotelrezeptionen am Lago umhört, ist der Eindruck ähnlich, die Deutschen fragten viel nach, heißt es.

Überhaupt: Die Deutschen sind hier einfach "i tedeschi", zwischen Münchnern und Nicht-Münchnern, Bayern und Nicht-Bayern unterscheidet man nicht. Nach ein paar Jahren in München glaubt Zenorini aber, die Unterschiede verstanden zu haben. "Bayern ist anders als der Rest, hier hatte ich nie Probleme, mit Leuten in Kontakt zu kommen."

Hoffentlich Gelassenheit

Als Norditaliener gelten die Gardaseebewohner ohnehin als "Deutsche Italiens" - das passt bestens zu den für deutsche Verhältnisse dann doch recht italienisch-gemütlichen Bayern, findet Zenorini. Einen wirklichen Austausch zwischen Touristen und Einheimischen gebe es aber nicht. Der eine hat nur Sonne, Wein und Pasta im Kopf, wenn er an den anderen denkt, der andere nur Oktoberfest, Bier und Breze. "Das ist wahnsinnig schade", sagt Chincarini.

Eines hört man aber immer wieder: Den Deutschen verdanke man viel, ohne sie hätte sich die Region nie so entwickelt. Sie lassen ja auch jedes Jahr viel Geld da. Und was nehmen sie mit nach München? Hoffentlich Gelassenheit, sagt Zenorini. Während am Lago jedes winzige Lokal ohne Tischdecke recht ist, muss in München immer alles perfekt sein.

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