SZ-Adventskalender:Wenn Sorgen zur Gewohnheit werden

SZ-Adventskalender: Kinder mit schweren Krankheiten werden auf der Kinderintensivstation gepflegt - wie hier in Großhadern.

Kinder mit schweren Krankheiten werden auf der Kinderintensivstation gepflegt - wie hier in Großhadern.

(Foto: Catherina Hess)

Andreas war fünf Jahre alt, als bei ihm ein Gehirntumor festgestellt wird - derzeit liegt er wieder auf der Kinderintensivstation. Statt zu reden, blinzelt er.

Von Florian Fuchs

Sombop M. sagt: "Man gewöhnt sich an alles." Aber natürlich kann man sich nicht an alles gewöhnen. Man kann nur lernen, damit zu leben, dass der eigene Sohn sterben wird. Man kann lernen, damit umzugehen, dass Andreas mit fünf Jahren einen Gehirntumor bekam und deshalb nun, mit elf Jahren, wieder einmal auf der Kinderintensivstation liegt. Dass er nun nicht einmal mehr reden kann, sondern sich durch Blinzeln zu verständigen versucht, und dass er auch nicht mehr ohne Maschine atmet. Man kann lernen, mit den täglichen Sorgen zu leben, wie die Familie M., was alleine schon eine außergewöhnliche Leistung ist.

Andreas ist an viele verschiedene Geräte angeschlossen, die ihm beim Atmen helfen und ihn ernähren, die ihn überwachen und seine Vitalfunktionen aufzeichnen. Grüne, blaue und gelbe Linien fahren in Zacken über die Monitore, als der Vater am Krankenbett erzählt, wie das alles angefangen hat, am Nikolaustag im Jahr 2010.

Andreas hatte immer wieder Gleichgewichtsprobleme, also haben sie ihn untersuchen lassen. Am 6. Dezember kam der Anruf aus dem Krankenhaus: Ein Schatten am Hirnstamm sei bei Andreas zu erkennen, die Eltern sollten doch bitte so schnell wie möglich mit dem Sohn ins Krankenhaus kommen.

Der Befund war schnell da, die Ärzte hatten einen Gehirntumor entdeckt, es dauerte allerdings, bis klar war, was für eine Art Tumor: Das Geschwür ist eigentlich gutartig, das Problem ist die Stelle, an der es sich eingenistet hat. Sie sind von Arzt zu Arzt gelaufen, aber überall haben sie dieselbe Antwort bekommen: Da der Tumor im Gehirn ist, kann man ihn nicht operieren - man würde mehr kaputt machen als helfen.

Vier Monate lang haben sie Andreas erst einmal Cortison verabreicht, damit der Tumor nicht so auf den Hirnstamm drückt. Das Cortison hat dem Sechsjährigen den Darm aufgeweicht, sodass er notoperiert werden musste. Als das überstanden war, begann die Chemotherapie. "Er hat sie eigentlich gut vertragen", sagt M. Aber am Ende stellte sich heraus: Der Tumor hat sich nicht zurückgezogen. Also versuchten sie es mit einer Bestrahlung, aber das ging nach hinten los: Der Tumor wurde größer, Andreas ging es gar nicht gut durch die Nebenwirkungen.

Der Junge ist austherapiert, der Tumor noch da

Es war die Zeit, als die Sorgen schon zur Gewohnheit geworden waren für M., seine Frau und auch den kleinen Bruder von Andreas. Aber sie hatten sich darauf eingestellt, sie kamen einigermaßen klar, bis die Ärzte ihnen erklären mussten, dass Andreas nun als austherapiert gilt. Man könne nichts mehr für ihn machen, es gehe nur noch darum, seine Lebensqualität zu verbessern.

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Andreas ging es nun auch immer schlechter, er brauchte einen Rollstuhl, dann erlitt er einen epileptischen Schock, M. musste ihn wiederbeleben. Da verlor auch der Vater den Halt, er stürzte in eine Depression, hörte auf zu arbeiten und kümmerte sich zu Hause nur noch um das Nötigste.

M. hat sich inzwischen wieder gefangen, er hat auch wieder einen Job, aber die Sorgen, sie werden nicht kleiner. Vor Kurzem ist Andreas wieder zusammengebrochen, wieder musste er ihn reanimieren, nun liegt er in der Klinik und kann nicht mehr selbständig atmen. Die Mutter war gerade zu Hause in Thailand, um ihre kranke Mutter zu pflegen, schnell buchte sie einen Flug zurück. 20 Stunden, nachdem sie in München gelandet war, kam die Nachricht aus Thailand: Die Mutter ist gestorben.

Der kleine Bruder steckt zurück

Es ist viel Unglück, das Familie M. aushalten muss, dazu kommt, dass das Geld ständig knapp ist. Als die Ärzte sagten, dass Andreas nicht mehr zu helfen ist, haben die Eltern viel Geld für alternative Heilungsmethoden bezahlt, nichts hat geholfen. Heute müssen sie strikt haushalten, die Pflege ihres Sohnes kostet viel Geld. Die Kasse übernimmt lange nicht alles, allein an Windeln und Betteinlagen zahlen sie 60 Euro pro Monat zu, für Medikamente 160 Euro. Die Spüle ist kaputt und es fehlen zwei Küchenschränke.

Und: Der kleine Bruder, der so oft hintanstehen muss, würde gerne in einen Fußballverein, doch der jährliche Beitrag und die Ausrüstung sind kaum zu stemmen. Einen Urlaub hat die Familie M. schon lange nicht mehr gemacht, genauer gesagt seit dem Nikolaustag 2010 - da waren sie gerade in Bad Tölz, als der Anruf vom Krankenhaus kam, sie mögen schnell kommen.

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