SZ-Adventskalender:Schweres Päckchen

SZ-Adventskalender: Michael M. ist vor kurzem ausgezogen. Sein Bruder, der unerkannt bleiben möchte, würde gern mit ihm ein paar Urlaubstage verbringen.

Michael M. ist vor kurzem ausgezogen. Sein Bruder, der unerkannt bleiben möchte, würde gern mit ihm ein paar Urlaubstage verbringen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Sabine M. ist eine starke Frau, und das muss sie auch sein: Ein Sohn ist behindert, der zweite hatte Krebs. Nun wünscht sie sich ein paar Dinge, die beiden Kindern das Leben leichter machen würden.

Von Monika Maier-Albang

Es gibt Schicksale, bei denen einen das Gefühl überkommt, dass an diesem Weltenlauf irgendetwas nicht stimmen kann. Warum fällt den einen alles leicht, und anderen wird immer noch ein Päckchen aufgeladen? Und wie, fragt man sich, hält eine Frau das aus, wenn erst der Vater ihrer Söhne stirbt, sie alleine dasteht mit zwei Jungs, von denen der eine von Geburt an mehrfach behindert ist. Und dann das ältere Kind Krebs bekommt?

Sabine M. öffnet die Tür, und vor einem steht eine große, herzliche Frau; stark und voller Energie wirkt sie - muss sie wohl sein, sonst hätte sie die letzten Jahre kaum überstanden. Michael, ihr jüngerer Sohn, hat seine Legosteine auf den Holzfußboden in der Küche ausgebreitet, er ist zwanzig und bastelt an einer Burg. Dass man über ihn spricht, mag er gar nicht, da hält er sich die Ohren zu. Also erzählt Christian M., der Ältere, von seiner Krankheit.

Er war elf, als die Ärzte einen Weichteiltumor bei ihm diagnostizierten, "embryonales Rhabdomyosarkom", sagt er - man erwirbt sich wohl notgedrungen eine Fachkompetenz in solch einer Situation. Christian M. musste sich einer Chemotherapie unterziehen. Den Krebs haben die Ärzte in den Griff bekommen, aber die Behandlung hat den Körper des Jungen geprägt: ein Herzfehler ist ihm geblieben, und er hat oft heftige Kreuzschmerzen.

Im Laufe der neun Monate, die er während der Chemo im Rollstuhl sitzen musste, habe sich seine Wirbelsäule verkrümmt, sagt der junge Mann, der gerade eine Lehre absolviert. Sein Orthopäde hat ihm empfohlen, an einem Rudergerät zu trainieren, "das würde den Rücken stabilisieren und gleichzeitig die Bauchmuskulatur stärken", sagt Christian M.. Bei Ebay hat er schon nach einem gebrauchten Ruderergometer gesucht - einem mit Seilzug, das in seinem WG-Zimmer Platz hätte; die Variante mit der Auslegertechnik wäre wohl zu breit, fürchtet er. Doch selbst die gebrauchten Rudergeräte sind für ihn zu teuer.

Michael M., sein Bruder, hat seinen Wunschzettel auf die Heizung gelegt, so wie sie das all die Jahre gemacht haben, als er noch Zuhause gewohnt hat - es sind Wünsche in rot-weiß. Ein Käppi von Götze, ein T-Shirt von Götze, das FC-Bayern-Monopoly, das Stadion zum Selberbauen, "unerschwinglich für uns" , sagt Sabine M. (Namen von der Redaktion geändert), und sie hat andere, pragmatischere Wünsche für ihn: ein spezielles Tandem, bei dem ihr Sohn vorne sitzen kann, versucht sie schon seit längerer Zeit von der Krankenkasse genehmigt zu bekommen, bislang ohne Erfolg.

Im Sommer ist Michael ausgezogen, in eine Einrichtung, wo er betreut wird, und wo ihm ein eigenes Appartement zur Verfügung steht; eine Stiftung hat die Kosten dafür übernommen. Allerdings ist das Bad noch nicht so eingerichtet, dass Michael damit zurechtkommt. Ein Duschklo würde seine Mutter gern für ihn einbauen lassen; aber die Zuzahlung, die die Krankenkasse einfordert, kann Sabine M. sich nicht leisten. Ebenso wenig wie den PC, den Christian benötigen würde. Sein alter ist gerade kaputt gegangen, er braucht den Computer für die Korrespondenz mit den Behörden - Christian ist mit seiner Mutter gesetzlicher Betreuer für seinen Bruder, die Verantwortung wollte er ihr nicht alleine überlassen.

Ein paar Tage wegfahren, auch das ist ein Wunsch, den die Drei nicht aus eigener Kraft finanzieren können. Michael droht zu erblinden. Sein Bruder formuliert es vorsichtig. "Es wäre schön, wenn wir miteinander Urlaub machen könnten, bevor das mit seinen Augen schlechter wird." Da legt Michael die Legosteine zur Seite, blickt nach oben, wo die anderen um den Tisch sitzen. "Ich verstehe was du meinst, Bruder."

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