SZ-Adventskalender:Es läuft? Es muss laufen!

SZ-Adventskalender: Alfred Asamoah hat drei Kinder und ist nach dem Tod seiner Frau alleinerziehend. Karl-Marx-Ring 36

Peter A. vermisst seine Frau, deren Foto noch immer einen Ehrenplatz an der Wand hat.

(Foto: Florian Peljak)

Als seine Frau stirbt, versucht Peter A. Vollzeitarbeit und Kinderbetreuung zu meistern. Dann erleidet er einen Herzinfarkt.

Von Monika Maier-Albang

In seiner früheren Heimat, im Osten Ghanas, tragen viele Männer noch die alten deutschen Namen. Herrmann und Alfred, Paul und Winfried. Die Region, in der Peter A. aufgewachsen ist, gehörte bis 1916 zum deutschen "Schutzgebiet" Togo. Die Gebeine derer, die Widerstand leisteten, sind längst verrottet, die Namen der Besatzer haben dennoch im Guten überdauert, und vielleicht erschien Peter A. unbewusst auch deshalb dieses eine Land als das verheißene, als er als junger Mann Ghana verließ: Deutschland.

Seit 26 Jahren ist Peter A. (alle Namen im Text sind Pseudonyme) nun schon in einem Lokal in München angestellt, als Koch. Er tue das gern, sagt er, und früher war kochen auch etwas, mit dem er sonntags die Familie beglückt hat. "Italienische Spezialitäten" habe es dann zumeist gegeben, erzählt der 46-Jährige. "Die Kinder haben sich immer gefreut, dass ich mal zu Hause bin. Ich hab ja sonst nur gearbeitet."

Und dann ist die Welt zusammengebrochen, für ihn, für seine Töchter Maria und Sarah, und für Thomas, den Jüngsten. 2007 bekam seine Frau Bauchspeicheldrüsenkrebs. 2011 ist sie gestorben. Ihr Mann kann heute noch nicht von ihr erzählen, ohne dass ihm die Tränen kommen. Die beiden kannten sich von Kindheit an, sie wuchsen im selben Dorf auf, in derselben Straße. Die Mütter waren befreundet. "Sie fehlt mir so", sagt Peter A..

Er musste sich sogar Geld für die Beerdigung seiner Frau leihen

Doch der Alltag musste ja irgendwie weitergehen. Also hat er versucht, beides zu managen: die Vollzeitarbeit und drei halbwüchsige Kinder. "Auf einmal stehst du da mit den Kindern, um die sie sich doch immer gekümmert hatte", sagt Peter A. "Ich wusste gar nicht, wie das geht." Es ging, und es ging doch auch nicht. "Sie waren zu oft allein", sagt ihr Vater. Und es war zum einen diese Rechnung über 1500 Euro - eines der Kinder hatte sich im Internet verloren -, die ihn bewog, weniger zu arbeiten. Zum anderen zwang ihn sein Körper dazu. A. hatte einen Herzinfarkt. Seine Vermutung: "Es war einfach zu viel." Heute ist er Diabetiker, muss Medikamente nehmen, aber, so sagt er, "wir kommen zurecht".

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Allerdings ist es ein Leben am Existenzminimum. Sie haben zu essen, Kleidung und Wohnung. Aber viele Dinge, die Freude machen oder den Alltag erleichtern, fallen weg. Vor Kurzem hat Peter A. das Auto abgemeldet, mit dem sie früher ab und zu nach Salzburg gefahren sind, um die Berge zu sehen. Die Bremsen hätten repariert werden müssen, "das kann ich mir nicht leisten", sagt er. Er musste sich schon Geld leihen, um die Beerdigung seiner Frau finanzieren zu können. Und die Wünsche der Kinder, die inzwischen 17, 15 und 13 Jahre alt sind, übersteigen seine Möglichkeiten auch. Alle drei hätten gern je ein Fahrrad, um sich leichter und günstiger in der Stadt bewegen zu können. Sonntags geht die ganze Familie in eine christlichen Gemeinde, die Mädchen singen im Chor, Vater und Sohn kümmern sich ums Instrumentale. Was auch fehlt, ist ein Laptop für die Hausarbeiten.

Die Familie in Ghana versteht nicht, wieso er kein Geld mehr schickt

Die Kinder kommen in der Schule gut zurecht, Peter A. würde sie jetzt auch wieder länger allein zu Hause lassen - er hofft nun, dass sein Arbeitgeber ihn Stunden aufstocken lässt. Zur Zeit bekommt er noch Hartz IV; es ist ihm unangenehm, Geld vom Staat in Anspruch nehmen zu müssen. "Als wir zu zweit gearbeitet haben, hatten wir immer genug. Es ging uns gut", sagt A.. Wenngleich auch da schon die Erwartungen der Familie in Ghana hoch waren. Zwei Brüder, eine Schwester, seinen Vater - alle habe er früher unterstützt. Dabei hatte er seinen Traum von einer höheren Schulbildung schon zugunsten der Geschwister aufgeben müssen. "Die Mutter wollte, dass ich studiere, die Noten wären auch gut genug gewesen. Aber mein Vater hat gesagt, wir schaffen das nicht."

Das Schulgeld hätte sonst für die jüngeren Geschwister nicht gereicht. Also lernte A. Automechaniker. "Aber das war nichts für mich." Es gab, wie es halt so ist, einen Freund, der schon nach Deutschland gegangen war und vom Leben dort vorschwärmte. Ja, das Leben hier sei besser, sagt A., aber einfach sei es eben auch nicht. Und nie würde er heute denen daheim Hoffnungen machen oder den Auszug in die Fremde verklären. Die Familie in seiner früheren Heimat, wo alle zum deutschen einen afrikanischen "Tagesnamen" tragen, verstehe bis heute nicht, warum er kein Geld mehr schicken kann, sagt Peter A., dass es halt für die Kinder und für ihn gerade so selbst reicht. "Mein ganzes Leben, es ist ein Kampf."

Das Leben von Maja F: Das Hamsterrad dreht sich

Mein Leben? "Es läuft, es muss laufen", sagt auch Maja F.. "Man funktioniert immer, für die Kinder. Für die Arbeit." Das Hamsterrad, es dreht sich halt. Wobei: Momentan steht es still, Maja F. hat eine Lungenentzündung und darf nicht arbeiten. "Das ist das erste Mal seit drei Jahren, dass ich krank geschrieben bin", erzählt sie. Pausieren wollte sie nicht einmal, als ihre Tochter vor ein paar Monaten einen schweren Unfall hatte. Der Vierjährigen war ein Auto über beide Beine gefahren, sechs Operationen musste Sina über sich ergehen lassen, zahllose Therapie-Termine absolvieren. Heute läuft Sina wieder, als sei nichts gewesen, aber für die Mutter war die Zeit eine große Belastung.

"Ich habe die Nächte im Krankenhaus verbracht und war morgens pünktlich in der Arbeit. Aber das hat schon gepasst." Wie sie auch jetzt oft bereits um sechs Uhr morgens in der Pflegeeinrichtung ist, in der sie arbeitet - und dann zwischendurch schnell heimgeht, um die Tochter zu wecken, ihr Frühstück zu machen, sie in den Kindergarten zu bringen. Danach geht sie wieder in die Arbeit.

Dass sie ihr Leben im Griff hat, keine staatlichen Hilfen braucht, darauf ist die alleinerziehende Mutter stolz. Einen Jungen hat sie noch, Admir, er ist 13 und fragt die Mutter höflich um die Erlaubnis, am Nachmittag raus zu den Freunden gehen zu dürfen. Für ihn würde sie gerne ein bisschen was zu Weihnachten kaufen - Maja F. ist muslimisch aufgewachsen, aber Adventskranz und Weihnachtsbaum gehören zu ihrem Leben, seit sie mit sechs Jahren nach Deutschland kam. An die Kinder gibt sie die Tradition weiter. "Die sollen sich hier nicht ausgeschlossen fühlen."

"Ich hatte mal drei Monate Hartz IV, das war die Hölle."

Für die Tochter wünscht sie sich ein Bett. Bislang schläft die Vierjährige bei ihr im Zimmer, aber es sei nun an der Zeit, dass Sina ein eigenes Kinderzimmer bekomme, sagt die Mutter. Sie selbst wird dann ins Wohnzimmer umziehen und dort auch schlafen. An eine größere Wohnung, an ein Auto gar, das etwas Hektik aus ihrem Leben nehmen könnte, ist derzeit nicht zu denken.

Maja F. arbeitet Vollzeit als Altenpflegehelferin - ihr Traumberuf, eigentlich, nur wäre es finanziell natürlich gut, eine einjährige Ausbildung draufzusatteln, um mehr zu verdienen. Aber das ist schwierig mit zwei Kindern. Allerdings ist Maja F. keine Frau, die sich leicht unterkriegen lässt. Eine Zeitlang weniger zu arbeiten und Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, sei für sie keine Option, sagt F.. "Ich hatte mal drei Monate Hartz IV, das war die Hölle."

Ihr Verdienst reicht, um in normalen Zeiten über die Runden zu kommen. Aber normal ist momentan wenig in Maja Fs. Leben. Innerhalb kurzer Zeit sind drei Menschen gestorben, die ihr nahe standen. Zu den Beerdigungen musste sie nach Bosnien, wo Maja F. herstammt. Normalerweise hätte sie die günstigste Möglichkeit gewählt und wäre mit dem Bus gefahren, sagt F. Aber die Busse konnten wegen der Flüchtlinge die Grenzen nicht passieren. Also ist sie geflogen, musste sich dafür Geld leihen. Die Schulden lasten jetzt auf ihr, zusätzlich zum Verlust ihrer Angehörigen.

Zu allem Überfluss wurde Maja F. auch noch bestohlen. Sie hatte, kurz nach einer der Beerdigungen, vergessen, den Dienstwagen abzuschließen. Als sie von einem Termin zurückkam, waren Handy, Diensthandy und Geldbeutel weg - alle Papiere muss sie nun neu ausstellen lassen, das Geld dafür aufzubringen, fällt schwer. Letztens lag dann noch eine Aufforderung zur Stromnachzahlung im Briefkasten. Jetzt dürfe halt nichts mehr kommen, sagt F. und blickt zum Kühlschrank. Der mache "Geräusche", seit Tagen schon. Früher hätte sie wohl gesagt: Schaff ich! Jetzt sagt sie: "Das Geräusch macht mir Angst."

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