SZ-Adventskalender:Der Räuber als Trost

Arthritis, Rheuma und Inkontinenz: Gerlinde A. wünscht sich nicht viel, aber ein neues Bett wäre hilfreich

Von Florian Fuchs

Zum Glück gibt es den kleinen Räuber. Der Kater gehört Gerlinde A. eigentlich gar nicht, er ist aus der Nachbarschaft, aber inzwischen geht er gar nicht mehr nach Hause zu seinen eigentlichen Besitzern. Für die Nachbarn ist das in Ordnung, und für A. ist es ein großes Glück: Räuber, wie sie ihn nennt, ist der einzige Freund, der ihr geblieben ist. Mitten auf dem Sofa im Wohnzimmer hat er es sich gemütlich gemacht, auf einem großen Kissen. Gerlinde A. könnte dort nicht sitzen. Sie würde ohne Hilfe nicht mehr hochkommen. Sie sitzt lieber auf einem der Stühle, so lange es die Knochen aushalten. In ihr Bett geht sie auch nicht so gerne: Es ist zu klein, zu niedrig, die Matratze rutscht. Auch da hat die 78-Jährige Schwierigkeiten aufzustehen, manchmal fällt sie dann heraus - sie bräuchte deshalb dringend ein neues.

Arthritis macht A. zu schaffen, nur unter starken Schmerzen kann sie sich aufraffen. Aber das ist nicht das einzige Problem: Den Brustkrebs hat sie überstanden, obwohl er fünf Jahre nach der monatelangen Bestrahlung ein zweites Mal kam. Sie leidet auch unter Rheuma, die linke Hand ist stark betroffen, Thrombosen im Bein mussten Ärzte behandeln und jetzt kommt auch noch die Inkontinenz, ihr ist das sehr unangenehm. Ohne die Hilfe vom Pflegedienst würde es nicht mehr gehen, sie hat auch Helfer, die für sie einkaufen, dabei würde sie gerne mal wieder selbst in den Supermarkt, einfach das holen, worauf sie Lust hat. Aber es ist ja schon anstrengend, vom Schlafzimmer ins Wohnzimmer zu gelangen.

Früher war A. noch viel unterwegs, am liebsten reiste sie nach Asien. Hongkong, Malaysia, das war eine schöne Zeit. "Da hätte ich mir nicht träumen lassen, dass es mal so mit mir kommt." Dass sie früher als Floristin arbeitete, merkt man ihrer Wohnung an, grün ist es hier und auch draußen, in dem winzigen Garten. Obwohl sie sich da momentan nicht hinaustraut, es ist Winter, es ist rutschig, die Gefahr ist zu groß. Gerlinde A. liebt ihre Wohnung in der Nähe der Theresienwiese. Schon lange wohnt sie hier, sie hat die zwei Zimmer auch behalten, als sie mit ihrem Freund im Allgäu lebte, obwohl er immer schimpfte, dass sie sich die doppelte Miete nicht leisten könnten. Heute ist sie froh, sie könnte die Miete in dieser Gegend gar nicht zahlen mit ihrer kleinen Rente und den Leistungen vom Sozialreferat, wenn sie nicht so einen alten Vertrag hätte. Selbst wenn nicht alles gut ist in dem Wohnhaus. Den Antrag bei der Hausverwaltung, bei den Treppenstufen am Eingang doch eine Rampe hinzubauen, hätte sie sich sparen können - abgelehnt. Das erleichtert es ihr nicht, mal hinaus zu kommen.

Noch viel wichtiger als die Rampe aber wäre ein neues Bett. 90 Zentimeter breit ist es, sie dachte damals, das sei eine gute Idee, weil das Schlafzimmer so klein ist. Es ist aber heute keine gute Idee mehr, weil A. kaum auf dem Bett liegen kann. Sie kann sich nicht umdrehen, weil sie Gefahr läuft, herauszufallen. Sie kann nicht bequem liegen, weil sie immer auf ihre Bewegungen achten muss. Sie bräuchte dringend ein 1,20 Meter breites Bett mit einer Höhe von 85 Zentimetern, das würde ihr das Aufstehen erleichtern. Leisten kann sie sich das nicht, sie wäre auch schon über ein gebrauchtes Bett glücklich.

Eines, bei dem man den Rost verstellen kann, sodass sie die Möglichkeit hat, sich im Bett aufzurichten, so eine Funktion muss sie auch nicht unbedingt haben. "Dann stopfe ich mir halt Kissen in den Rücken, das geht schon." Sie braucht nicht viel, sie will kein Hightech - nur herausfallen will Gerlinde A. nicht mehr aus ihrem Bett. Damit sie so lange wie möglich in ihrer Wohnung bleiben und ein selbstbestimmtes Leben führen kann, so weit es eben möglich ist.

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