Surf-Wettbewerb am Münchner Flughafen:Anderthalb tückische Meter

Sie soll der deutschen Surf-Szene zum Durchbruch verhelfen. Auf einer künstlichen stehenden Welle am Münchner Flughafen bestreiten Stars der Sportart ihre Europameisterschaft. So mancher scheitert an der nur 1,5 Meter hohen Woge.

Benjamin Krischke

Eigentlich denkt der junge Mann in anderen Dimensionen. 22 Meter, so schätzt er, sei die höchste Welle gewesen, auf der er bisher geritten ist. Seit zehn Jahren steht er schon auf dem Brett. "Wenn man eine so große Welle reitet, dann spürt man die mächtigste Kraft, die auf den Körper einwirken kann", schwärmt er. 22 Meter Welle, 100.000 Tonnen schwer, 70 km/h Beschleunigung auf dem Brett, pure Energie - das ist das Leben von Profisurfer Sebastian Steudtner, seine Passion. Die Welle heute ist nur 1,50 Meter hoch - mit ihr kommt Steudtner nicht zurecht.

In der internationalen Surfszene ist der gebürtige Nürnberger auch als das "German Wonderkid" bekannt. 2010 gewann er als erster Europäer überhaupt den Oscar des Surfens. Im selben Jahr wurde er für den Action Sport Award nominiert und vom Publikum zum Surfer des Jahres 2010 gewählt. Im Surfen ist er das, was man in populären Sportarten wie Fußball oder Formel 1 als Superstar bezeichnen würde. Doch Surfen ist eben nicht besonders populär, zumindest nicht in Deutschland - noch nicht. Heute ist einer dieser Tage, die dazu beitragen sollen, dass sich das ändert.

Es ist Mittwochabend und am Münchner Flughafen findet die "Pre-Opening-Party" zum Surf & Style-Contest 2011 statt: Surfer, geladene Gäste und Journalisten haben sich im MAC-Forum des Flughafens eingefunden, um eine Weltpremiere mitzuerleben: die erste stehende Welle in einem Flughafen. Bis kommende Woche können sowohl Profis als auch Neulinge hier den Sprung aufs Brett wagen.

Zu diesem Zweck wurde eine große Event-Plattform inmitten von Gates, Fast-Food-Restaurants und Autovermietungen errichtet. Ein Münchner Radiosender kümmert sich um die musikalische Untermalung, an der Bar mit Strohdach werden Caipirinhas gemixt und ein Buffet sorgt für das leibliche Wohl. Kellner in weißen Hemden und schwarzen Hosen bewegen sich emsig durch die Besucherreihen. Ein Häppchen hier, ein Cocktail da, leere Gläser abräumen dort. Zwei junge Frauen sind sogar in schwarzen Abendkleidern und auf High Heels erschienen - Sebastian Steudner ist barfuß und von oben bis unten durchnässt.

Vor wenigen Minuten hat er sich zum ersten Mal am heutigen Abend an der künstlichen Welle versucht, die im blauen Becken mit den zehn Pumpen erzeugt wird. Die Welle, mit der er nicht zurechtkommt.

Verantwortlich für die Konstruktion ist die ATV Action Team Veranstaltungs GmbH, genauer Rainer Klimaschewski und seine Frau Susi, einstige Weltmeisterin im Ski-Freestyle. Ihr Mann wurde immerhin Europameister in der gleichen Sportart. Neben dem Skifahren gehört auch das Surfen zu ihren Leidenschaften. Vor 35 Jahren war Klimaschewski als einer der ersten Surfer an der Isar-Floßlände aktiv, später am Eisbach. Er ist kein Typ, der aus der Menge heraussticht, und durch seine Kleidung macht er sich an diesem Abend noch unauffälliger: graues Polohemd, graue Hose, graue Schuhe. Es geht heute aber auch nicht um ihn, sondern um sein Projekt. Um das Projekt, "an dem so viel Herzblut dranhängt".

Seit 30 Jahren beschäftigt sich das Ehepaar Klimaschewski - beide diplomierte Ingenieure - mit der Entwicklung von Sportsimulationsgeräten. Die Inspiration zu The Wave holten sie sich, wie könnte es anders sein, aus ihrer Surfvergangenheit in München. Vier Jahre hat die Entwicklung vom Modell bis zur Konstruktion gedauert. Einige Hürden gab es zu nehmen, Investitionen zu tätigen, Teams zusammenzustellen und Sponsoren zu finden. Die größte Hürde, laut Klimaschewski, sei aber das Wasser selbst gewesen, ein so sensibles Element, das einen viel Zeit und Mühe kostet, um es kontrollieren zu können.

In seinen Augen hat sich der Aufwand aber gelohnt und es gibt Pläne für die Zukunft: "Wir wollen unsere Welle in die Welt hinaustragen und mit The Wave auf Europatour gehen." Eine mobile Eisbachwelle für Europa also: Zehn Pumpen, 1000 Kubikmeter Wasser, 26 mal 31 Meter groß, eine Anlage, die Wellenhöhen von einem bis 1,50 Metern erzeugen kann.

Pionierarbeit für den Sport

Doch bevor es nach Spanien, Paris oder England geht, steht The Wave zunächst am Franz-Josef-Strauß-Flughafen in München und wird am Samstag und Sonntag Schauplatz für den Wettbewerb um den ersten Europameistertitel im Stationary Wave Riding. Eine Sportart, die ihre ersten Schritte in Richtung internationale Aufmerksamkeit gerade erst beschreitet. Um das zu erkennen, bedarf es nur einem Blick auf die Staatsbürgerschaften der Surfer vor Ort: Von 47 Teilnehmern sind nur zwölf nicht aus Deutschland, bei den Frauen sind nur zwei von 20 Teilnehmerinnen aus dem Ausland angereist - aus der Schweiz und Österreich.

´Surfhauptstadt München"

Die stehende Welle am Eisbach in München gilt nicht nur als Hotspot für Surfer, sondern auch als Publikumsmagnet. Hinter der Konstruktion "The Wave" steckt das selbe Prinzip: eine stehende Welle zum Riversurfen.

(Foto: dpa)

Ansonsten surfen hier vor allem die Lokalmatadore aus dem Raum München, an diesem Abend das erste Mal vor Publikum. Manchmal surfen sie allein, manchmal surfen sie in der Gruppe, und wenn einer fällt, springt der nächste vom Beckenrand. Unter ihnen befindet sich auch Antonia Deventer oder "einfach nur Toni". Die 23-Jährige zählt, schöner könnte es das Presseheft der Veranstalter nicht formulieren, zu "einer der traditionsreichsten Surferfamilien Münchens". In der Tat: Ihr Vater, Dieter Deventer, war ebenfalls zur Stelle, als sich vor 35 Jahren ein paar wenige Surfer am Eisbach aufmachten, um Pionierarbeit im Riversurfen zu leisten.

Seit Toni Deventer klein war steht sie auf dem Brett. Surferin ist sie, eine gute noch dazu, aber kein Weltstar für den mediale Aufmerksamkeit zum Alltag gehört, kein Profisportler, der gerne im Mittelpunkt steht. Toni ist eher schüchtern. Mit gelben Shorts, schwarz-blauem Oberteil und lockigem Haar steht auch sie durchnässt und barfuß in der Menge. Der Ritt auf der künstlichen Welle mache ihr Spaß und sie freue sich, dass ihr Sport immer mehr Aufmerksamkeit genießt. Dann ist sie schon wieder verschwunden, um noch ein paar Mal die Welle zu reiten.

Während "All that she wants" von Ace of Base aus den Boxen dröhnt und die Gäste ausgelassen den Abend genießen, brechen die letzten Sonnenstrahlen durch das gigantische Glasdach des MAC-Forums. Sebastian Steudtner, das "German Wonderkid", war auch im zweiten Anlauf nicht besonders erfolgreich. Die Breite, auf der er normalerweise surft, beschränkt sich nicht auf neun Meter, und bei den natürlichen Wellen muss man sich vor die Welle setzen, um zu surfen - so hat er es Hunderte Male verinnerlicht. Fährt er mit dieser Technik auf der künstlichen, stehenden Welle, kostet ihn das die Kontrolle und er wird vom Brett gespült.

Auf die Frage, wie das denn dann bei der Europameisterschaft laufen soll, antwortet der gebürtige Nürnberger scherzhaft: "Da steig ich einfach aus." Ihm gehe es vor allem darum, dabei zu sein, die lokale Surfszene ein wenig zu unterstützen, und gar nicht um den ersten Platz oder das Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro: "Für mich ist es kein Wettkampf, sondern einfach nur Spaß." Rainer Klimaschewski, den Ingenieur, wird diese Aussage freuen. Er ist sich sicher: "Das Surfen breitet sich explosionsartig aus." Früher habe er den Großteil seiner Zeit mit dem Riversurfen verbracht, und heute freue er sich einfach, dass so viele junge Leute positiv auf seine Konstruktion reagieren und die Öffentlichkeit mehr und mehr Notiz von der Sache nimmt.

Denn zur "Pre-Opening-Party" sind auch zahlreiche Medienvertreter erschienen, die sich ihren Weg durch ein paar Dutzend Leute mit Hamburgern und Sprizz bahnen. Um die Eventplattform herum haben sich derweil zahlreiche Zuschauer versammelt. Männer in Anzügen, Rucksacktouristen und Eltern mit ihren Kindern. Nach 35 Jahren leistet Rainer Klimaschewski wieder Pionierarbeit.

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