Suchen und finden:Von Goldbarren bis zu Krücken

Suchen und finden: Siegfried Herzog im Lager der Fundstelle am Hauptbahnhof.

Siegfried Herzog im Lager der Fundstelle am Hauptbahnhof.

(Foto: Stephan Rumpf)

Seit 20 Jahren arbeitet Siegfried Herzog in der Bahnhofs-Fundstelle

Von Franziska Gerlach

Das Oktoberfest ist eine unübersichtliche Veranstaltung, da geht mit steigender Bierseligkeit schnell einmal etwas verloren. Siegfried Herzog weiß das, er arbeitet seit 20 Jahren in der Fundstelle am Münchner Hauptbahnhof. Zur Wiesnzeit bekommt er dann auch mal außergewöhnliche Fundsachen geliefert.

Wenige Tage vor dem Start der Wiesn am 19. September sind in der Fundstelle eher Reise-Utensilien gelagert. Rucksäcke und Taschen liegen in blauen Rollwagen nebeneinander, dazwischen warten ein paar Bücher, Schirme und ein Paket Windeln mit Feuchttüchern auf ihre Besitzer - was Reisende eben so vergessen in Zügen und S-Bahnen. An jedem Fundstück ist ein Zettel befestigt, auf dem so viele Informationen stehen, wie Herzog und seine Kollegen darüber in Erfahrung bringen konnten. Farbe, Größe, Inhalt und, soweit ersichtlich, auch der Hersteller eines Gegenstands. Je mehr Details, desto besser, sagt Herzog.

Der gelernte Handwerker aus der Nähe von Passau kam 1971 im Alter von 21 Jahren zur Deutschen Bahn - und wurde gleich nach München beordert, denn die bevorstehenden Olympischen Spiele erforderten Personal.

Pro Jahr werden etwa 16 500 Fundsachen in München erfasst, knapp 70 Prozent von ihnen kehren zu ihren Besitzern zurück. Während der drei Oktoberfestwochen steigt die Zahl der Fundstücke um 30 bis 40 Prozent, statt bis 19 Uhr ist das Fundbüro dann bis 24 Uhr geöffnet.

Was dort dann so abgegeben wird, ist mitunter skurril: Zahnspangen, Dirndl und sogar Krücken tauchten schon bei Herzog auf. Bisweilen kann so ein Wiesnbesuch scheinbar zur Spontanheilung beitragen. Auch der ein oder andere Ehering kam abhanden. Ein großes Problem stellen Mobiltelefone und Smartphones dar, von denen zur Wiesn besonders viele verloren gehen. Denn viele Leute wüssten die Nummer ihres Gerätes nicht, sagt Herzog. "Das ist dann schwierig zuzuordnen."

Lässt sich der Besitzer eines Gegenstandes ermitteln, hat er vier Wochen Zeit, um sein Eigentum abzuholen. Tut er das nicht, wird die Sache in die zentrale Fundstelle der Bahn nach Wuppertal geschickt. Kann kein Besitzer ermittelt werden, bringen Herzog und seine Kollegen die Fundsachen schon nach einer Woche auf den Weg dorthin.

Und dann gibt es noch jene Fundstücke, die so kostbar sind, dass man von Glück reden kann, dass sie überhaupt an Herzog übergeben wurden. Einmal wurde eine Geige im Wert von 25 000 Euro gefunden, dann wiederum Goldbarren und Schmuck in der S-Bahn. Als Eigentümer wurde später ein betagter Herr ermittelt, der auf dem Weg ins Altersheim war. Dieser Schritt steht bei Herzog noch lange nicht an. Aber immerhin wird er sich im November in den Ruhestand verabschieden. Mit im Gepäck: zahllose Erinnerungen. Nur eine tränenüberströmte Wiesnbesucherin, die ihren Herzallerliebsten verloren hat, die fehlt ihm noch. "Des gab's no net", sagt Herzog. Ein Oktoberfest hat er ja noch.

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