Studis im Gastrohimmel:Ein Sternekoch in der Mensa

"Der Student geht so lange zur Mensa, bis er bricht." So lautet ein ziemlich böses Bonmot über die tägliche Abfütterung an den Universitäten. Doch die Zeiten ändern sich. In der größten Mensa des Studentenwerks München an der Schwabinger Leopoldstraße kommen die Studis jetzt in den Genuss echter Sternegastronomie.

Von Dagmar Steigenberger

Das is ja n'Ding - wie 'ne Kanone!" Holger Stromberg rangiert einen Stabmixer mit einem fahrbaren Gestell zwischen all den Wannen und Töpfen hindurch bis zu dem Bottich, in dem 80 Liter Kokosmilch-Sauce schwimmen. Alles ein bisschen größer hier, staunen der Sternekoch und sein Assistent Stefan Manier, ebenfalls schon mit einem Stern ausgezeichnet.

So groß, als seien die Gerätschaften für Riesen gemacht: In die Schöpfkelle passt ein Fußball, den Schneebesen muss Stromberg mit beiden Händen wie eine Schaufel packen, und in den Töpfen könnten locker zwei Menschen baden. Keine dieser Küchen, in denen Stromberg sonst zuhause ist; hier gehen schließlich jeden Mittag mehr als 2000 Essen raus.

Gelassene Stimmung in der Großküche

Für drei Tage hat Holger Stromberg seinen Arbeitsplatz gewechselt: Bis Donnerstag hat er die Mütze des Chefkochs in der Uni-Mensa an der Leopoldstraße auf, zusammen mit Mensa-Leiter Horst Waldner. Eine Stunde noch bis zum mittäglichen Ansturm der Studenten, die Stimmung in der Großküche ist gelassen.

Stromberg rechnet damit, dass sich 800 Studenten seine Kokos-Chili-Gnocchi mit Landhuhn von der Essensausgabe holen werden. Mehr würden es nicht sein, haben ihm die Routiniers in der Mensaküche gesagt. Für den zweiten Tag steht gebrannter Ziegenkäse auf Honig-Nuss-Gemüse auf dem Plan, für den Donnerstag Saltimbocca auf Aprikosen-Schalotten-Polenta.

Ein Sternekoch in der Mensa

Seine Lieblingsspeise, Wiener Schnitzel, ist nicht dabei. Schließlich ist Stromberg als einer der Gründer der "Jungen Wilden", einer Vereinigung von Nachwuchs-Köchen, vor allem mit seiner Extravaganz berühmt geworden, mit Gerichten wie Blutwurststrudel mit gebratener Jakobsmuschel. Auf derlei Verrücktheiten verzichtete er bei den Studenten-Menüs, weil "die meisten so was nicht kennen und auch nicht mögen", so glaubt er. "Dann hat es gar keinen Sinn".

Sponsor hält den Preis auf Normalniveau

Außerdem wären die delikaten Zutaten viel zu teuer. Und auch ohne sie kann sich das Studentenwerk eine solche Aktion nur erlauben, weil der Mobilfunkbetreiber O2 sie sponsort und so den Preis mit 3,20 Euro auf Normalniveau hält. Teuer sind in diesem Fall nicht ausgefallene Zutaten - Stromberg verwendet Petersilie, Chilischoten und die Limonen, deren Schalen er gerade über den Gnocchi abreibt. Aber sie sollen frisch sein und sind deswegen nicht unbedingt besonders billig.

Frische Zutaten sind nach Strombergs Philosophie die Voraussetzung für eine gute Küche. "Kräuter und Gewürze haben wir ja alle zur Verfügung, nur der Aufwand mit Waschen, Schneiden und Abschmecken ist den meisten Leuten zu groß." Stromberg ärgert sich über Kochshows im Fernsehen, die lediglich darauf abzielten, möglichst schnell und ohne Aufwand das Essen auf den Tisch zu bringen. "Deshalb greifen viele dann zu Fertiggerichten, die alle nach Maggi und Knorr schmecken."

Mensen und Kantinen, das hatte auch Stromberg gedacht, seien dafür das beste Beispiel. Doch in der Leopoldstraße war das Gegenteil der Fall: "Wir kochen alles frisch und ohne Geschmacksverstärker", sagt Armin Rosch, Geschäftsführer des Studentenwerks. "Strombergs Philosophie kommt unserem Haus sehr entgegen." Ganz kann Stromberg sein Ideal in der Mensa jedoch nicht umsetzen. "Die Studenten wollen nicht warten, bis ich ihnen das Fleisch direkt aus der Pfanne serviere." Deshalb stehen die Speisen am Buffet in Wärmebehältern bereit, wo Stromberg sie auf den "legendären Tabletts", wie er schwärmt, dekoriert.

Ein Sternekoch in der Mensa

Dabei ist der 33-Jährige noch nie vorher an der Uni gewesen. Schon am ersten Schultag sei es ihm zu bunt geworden: "Warum muss ich noch was anderes lernen, wenn ich eh Koch werde?", hatte er damals genörgelt.

Zwischen Töpfen und Kellen ist er in der elterlichen Gastwirtschaft in Nordrhein-Westfalen groß geworden. In München kochte er in besten Lokalen, unter anderem im Mandarin Oriental; jetzt gründete er seine eigene Firma food.entertainment.beverage.

Neben Professionalität ist Stromberg und den "Jungen Wilden" etwas anderes sehr wichtig: Spaß. Den will der Sternekoch auch in der Mensa haben, während er Unmengen von Gnocchi zubereitet. Und hat sich deshalb ein Megafon um seine Schulter gehängt. Damit will der Koch später - im Trubel von hungrigen Studenten und lärmenden Geschirrspülmaschinen - auf sich aufmerksam machen.

Schon jetzt ruft er seinen drei Helfern aufmunternde Worte durch den Verstärker zu: "Attacke!" und "Wer einen guten Witz weiß, darf auch mal hier durchsprechen."

Dass er in den drei Tagen nicht den gesamten Betrieb auf den Kopf stellen kann, ist Stromberg klar. Von den Menschen in der Küche hier könne man nicht erwarten, dass sie in ihrer Arbeit aufgehen. "Sie bekommen weder großen Beifall von ihren Kunden noch großes Geld."

Man müsse eben aufeinander zugehen und alte Produkte neu und kreativ verarbeiten. "Ausgefallen muss es dann gar nicht sein", sagt Stromberg - vielleicht doch mal ein gutes Wiener Schnitzel?

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