Studie zu Nebenjobs in München:Wenn ein Gehalt nicht reicht

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Eine Kellnerin bei der Arbeit: Haupt- oder Nebenjob? (Foto: Marc Tirl/dpa)

Ein Monatsgehalt reicht nicht mehr: 13 Prozent der Münchner Arbeitnehmer haben laut einer Studie des DGB einen Nebenjob. Als Armutssymptom werten Experten die hohe Quote jedoch nicht.

Von Anne Kostrzewa und Ferdinand Otto, München

Teuer, teurer, München: Für immer mehr Arbeitnehmer reicht ein Monatsgehalt in der bayerischen Landeshauptstadt nicht aus, um finanziell über die Runden zu kommen. Das geht aus einer repräsentativen Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hervor, über die der Stadtrat am Dienstag diskutiert. Demnach übt in München fast jeder Achte zusätzlich zu seinem Beruf einen Nebenjob aus. Das entspricht 13 Prozent der Arbeitnehmer. München liegt damit klar über dem Bundesdurchschnitt von 9,1 Prozent.

Der Hauptgrund für diese Entwicklung sind dem DGB-Index "Gute Arbeit" zufolge die hohen Lebenshaltungskosten in der Landeshauptstadt: Drei von vier befragten Münchnern begründeten ihren Zweitjob in der Studie mit finanziellen Aspekten. Bei den Befragten mit einem Bruttoeinkommen von bis zu 2000 Euro liegt die Quote der Zweitjobber bereits bei mehr als 18 Prozent. Bei den unter 25-Jährigen hat sogar fast jeder Vierte einen Zweitjob.

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Wohnen ist teuerster Faktor

"Der Hauptkostenträger ist in München immer noch der Wohnraum", sagt DGB-Vorsitzende und SPD-Stadträtin Simone Burger. "Hier muss die Stadt weiter hinterher sein, bezahlbaren Wohnraum schaffen und fördern." Burger sieht aber auch die städtischen Unternehmen in der Pflicht. "Ein weiterer Schritt im Rathaus sollte es sein, klar zu formulieren, welche Ansprüche die Stadt an ihre Unternehmen hat", so Burger. "Dazu zählt eine angemessene Vergütung."

Weil die in München oft nicht ausreicht, stocken vor allem Frauen ihr Einkommen mit Zweitjobs auf. Mit 15 Prozent geht jede sechste Münchnerin zusätzlich zu ihrem Hauptberuf einer Nebentätigkeit nach. Demgegenüber haben nur 10,8 Prozent der Männer in München zwei Jobs - wohl auch, weil 97 Prozent der befragten Männer in München in Vollzeit arbeiten. Ein Drittel der befragten Frauen hingegen arbeitet in Teilzeit.

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Entsprechend umfangreich ist oftmals die Nebentätigkeit. Aus der Studie geht hervor, dass jeder Dritte sechs bis zehn Stunden wöchentlich in seinem Zweitjob arbeitet. Jeder Vierte räumt der Nebentätigkeit mehr als zehn Stunden pro Woche ein.

Nebenjobs nicht unbedingt Armutssymptom

Enzo Weber beschäftigt sich am Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung mit Nebenjobs. Dass es in München so viele Menschen mit zwei Einkommen gibt, überrascht ihn nicht: "Nebenjobs kommen häufig in wirtschaftlich starken Regionen wie München vor." Er relativiert jedoch: Ein Armutssymptom seien Nebenjobs nicht zwangsläufig. Sie könnten vielmehr auch ein Anzeichen dafür sein, dass es in einer Region viele Arbeitsangebote gebe, so Weber.

"Den Anstieg der Nebenjobs muss man vor dem Hintergrund der Steuerbefreiung 2003 sehen", sagt Weber. "Und man muss auch berücksichtigen, dass die Beschäftigung insgesamt ebenfalls gestiegen ist." Für Weber haben die Steuererleichterungen im Zuge der Hartz-IV-Reformen maßgeblich dazu beigetragen. Seit mehr als zehn Jahren gilt: Auf Minijobs müssen weder Steuern noch Sozialabgaben gezahlt werden, was kurzzeitig für einen sprunghaften Anstieg der Nebenverdienste gesorgt hatte.

Münchner Löhne im bundesdurchschnitt gut

Die Münchner verdienen im Bundesvergleich gut, auch das geht aus dem DGB-Index hervor. Nur 6,6 Prozent der Beschäftigten haben monatlich unter 800 Euro zur Verfügung. In Westdeutschland trifft das für 16,2 Prozent der Bevölkerung zu. Jeder dritte Münchner hält sein Einkommen dennoch für "gerade ausreichend" oder "nicht ausreichend" - und sucht sich einen Nebenjob.

© SZ vom 22.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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