Studenten in der Warteschleife:Nummer ziehen und einreihen

Eigentlich wollen sie sich nur einschreiben - doch dafür müssen sie mehrere Stunden warten. Die Studenten sind aufgebracht. Ein Stimmungsbericht.

Von Sebastian Bräuer

90 Minuten hat Roland Bodics in dem dunklen, langen Gang der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) warten müssen, um seine Abmeldung loszuwerden. Der Medizinstudent hat genug von der Massen-Uni und wechselt zur Technischen Universität. "Ich hoffe, dass dort alles ein wenig unbürokratischer abläuft", sagt Bodics.

Zumindest die Warteschlange ist gut organisiert: Wer sich hinten anstellt, muss eine Karte ziehen wie im Arbeitsamt. Über dem Ausgang hängt eine große Anzeige, auf der die Zahlen langsam nach oben laufen. Die Studienanfänger sitzen sich auf zwei langen Bankreihen gegenüber, lesen Zeitung oder spielen mit ihren Handys. Kaum einer sagt ein Wort.

Für viele ist die quälend langsam voranschreitende Einschreibeprozedur der erste Eindruck von München. Eva Hirsch aus Hannover zum Beispiel ist erst am Dienstagabend in der Landeshauptstadt angekommen und gleich am nächsten Morgen zur Uni gefahren. Die 21-Jährige hat eine Karte gezogen, auf der "Noch 93" steht. Eine Stunde später sind es laut Anzeige noch 20 Studenten, die einfach nur ihre Unterlagen abgeben wollen.

Neun Mitarbeiter für 500 Immatrikulationen

Deutlich mehr junge Menschen als bisher wollen sich fürs Wintersemester einschreiben - alleine an diesem Mittwoch laut Pressesprecherin Luise Dirscherl 500. Nur neun Mitarbeiter befassen sich mit den An- und Ummeldungen. Nebenan findet ein internationaler Kongress statt. "Ein unglückliches Zusammentreffen", gibt Dirscherl zu. Die LMU stößt personell an ihre Grenzen.

"Eine Bekannte hat mich schon gewarnt und gesagt, ich solle früh kommen", sagt Eva Hirsch. An der Uni Hannover sei es schneller gegangen, dafür habe die LMU einen besseren Ruf. Irgendwie muss man sich ja trösten, wenn der Vormittag vergeht und draußen die Sonne scheint.

Vom guten Ruf der Uni schwärmt auch Dijana Carsten. Das Warten mache ihr nichts aus, sagt die angehende Juristin. "Es bringt nichts, sich aufzuregen." Katrin Weigert lässt sich die gute Laune ebenfalls nicht verderben - dabei hätte sie durchaus Grund dazu. Schon am Freitag wartete sie drei Stunden lang, um wieder nach Hause geschickt zu werden.

Als Anglistikstudentin braucht sie ein Sprachzertifikat, auch wenn sie das Grundstudium schon in Regensburg abgeschlossen hat und lange Zeit in England gewesen ist. "In München ist alles anders", habe ihr Sachbearbeiter gesagt.

Ein Bewerber wurde angeschrien

Neben ihr sei ein Bewerber angeschrieen worden, weil ihm noch mehr Unterlagen fehlten. Weigert hat sich inzwischen an anderer Stelle von der Zertifikat-Pflicht befreien lassen und sitzt nun draußen auf dem Geschwister-Scholl-Platz.

Viele machen es wie sie: Raus an die frische Luft und grob abschätzen, wann man an der Reihe ist. Eva Hirsch wurde das zum Verhängnis: Als ihre Nummer angezeigt wurde, lag sie auf der Wiese. Und musste sich wieder ganz hinten anstellen.

Dort musste sich auch Sophie Spudat einreihen, für die das Ganze keine neue Erfahrung ist: "In Augsburg war es genau so." Auch sie ist nur zum Abmelden hier. "Ich hoffe, alle Unterlagen beisammen zu haben - noch einmal kommen, wäre extrem unangenehm." Plötzlich strahlt sie: "Nur noch zehn sind vor mir dran." Man muss eben nur positiv denken.

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