Streit um zweite S-Bahn-Stammstrecke:Schäuble: München soll zahlen, nicht nur vorstrecken

Wenn München die dringend benötigte zweite S-Bahn-Stammstrecke will, dann soll die Stadt Geld vorstrecken: So lautete bislang die Forderung. Doch jetzt zeigt sich, dass in Berlin noch ganz andere Erwartungen herrschen. Oberbürgermeister Ude ist stinksauer.

Dominik Hutter und Mike Szymanski

Kredit oder Finanzbeitrag? Die Befürchtungen von Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), die Stadt werde bei einer möglichen finanziellen Beteiligung an der zweiten S-Bahn-Stammstrecke das Geld nie mehr wiedersehen, sind offenbar berechtigt.

S-Bahn München

Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) fordert, dass sich die Stadt München an der zweiten S-Bahn-Stammstrecke finanziell beteiligt - und nicht nur Geld vorstreckt.

(Foto: dpa)

Denn während in München über eine Vorfinanzierung durch einen Kredit an den Bund diskutiert wird, herrschen in Berlin ganz andere Erwartungen - wie ein Brief von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) beweist: Demnach geht der Bund nicht von einem Kredit aus, sondern fordert unmissverständlich einen finanziellen Beitrag der Stadt zu dem Milliardenprojekt.

In dem Schreiben an Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) mahnt Schäuble, alle beteiligten Partner müssten sich engagieren. "Dazu gehört vor allem auch, dass die Landeshauptstadt München als hauptsächlicher Nutznießer dieser Baumaßnahme einen der Verkehrsfunktion für die Stadt angemessenen hohen Anteil an den Finanzierungskosten einschließlich etwaiger Vorfinanzierungskosten übernimmt."

Ude reagierte empört auf den Schäuble-Text, der bislang nur in kurzen Auszügen bekannt war. Der Verdacht, die Staatsregierung betreibe ein "gigantisches Täuschungsmanöver", sei nun "unzweifelhaft bewiesen". Spätestens seit Eintreffen des Briefes müsse der Staatsregierung die Haltung des Bundes bekannt gewesen sein. In der Öffentlichkeit aber habe man weiter über eine Vorfinanzierung gesprochen.

Verärgert zeigt sich Ude auch über Münchens CSU-Chef Ludwig Spaenle, der in einem Interview behauptet hatte, die Stadt Leipzig habe sich mit einer Milliarde Euro an ihrem "City-Tunnel" beteiligt. Tatsächlich, so hat Ude in einem Gespräch mit dem Leipziger OB erfahren, sei es um einen eher symbolischen Beitrag von knapp acht Millionen Euro gegangen. "Das Ausmaß der Täuschung kennt offenbar keine Grenzen", konstatiert Münchens OB.

Die Debatte um die Stammstrecke wird damit immer chaotischer. Denn offenkundig hat sich Schäuble auch nicht mit seinem Kabinettskollegen Peter Ramsauer (CSU) abgesprochen, der zwar zunächst jede Form der Vorfinanzierung abgelehnt hatte, inzwischen aber auf einem Kredit der Stadt München beharrt. Von einem Finanzbeitrag dagegen hat der Bundesverkehrsminister nichts gesagt.

Auch Bayerns Verkehrsminister Martin Zeil (FDP) fordert lediglich ein Vorfinanzierungsmodell - das eigentlich längst Makulatur ist, wenn es in dieser Form vom Bund nicht akzeptiert wird.

Die Grünen haben den Finanzierungsstreit am Donnerstag zum Thema einer aktuellen Stunde im Landtag gemacht. Es kam zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen Opposition und Regierung. Grünen-Fraktionschef

Martin Runge, entschiedener Tunnelgegner aus Gröbenzell, sagte, das Debakel bei der Stammstrecke stehe beispielhaft für die Verkehrspolitik im Freistaat. "Es geht nichts voran", sagte Runge. Er forderte die Regierung auf, die Planungen aufzugeben, der Tunnel bleibe "ein Phantomprojekt". Man müsse sämtliche Großprojekte auf den Prüfstand stellen und eine "ehrliche Prioritätenliste" erstellen.

SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher warf Seehofer "parteitaktisches Wahlkampfagieren" vor. Erst nachdem Ude bekanntgemacht hatte, bei der Landtagswahl 2013 Seehofer herauszufordern, sei die Staatsregierung auf die Idee gekommen, die Stadt an den Tunnelkosten zu beteiligen. "Die Münchner Bürgerschaft sollte dafür bestraft werden, dass ihr OB zur Landtagswahl kandidiert", sagte Rinderspacher. Er nannte es eine Zumutung, dass erst jetzt geprüft werde, ob sich die Landkreise rechtlich an den Kosten beteiligen dürften.

Der frühere CSU-Chef und Verkehrsminister Erwin Huber sprach sich dafür aus, die Landkreise mit ins Boot zu holen. "Ich halte auch eine Beteiligung der Gemeinden im Speckgürtel für angebracht." Jedoch habe er Zweifel, dass sich das Projekt noch realisieren lasse. "Jeder, der realistisch ist, muss wissen, wie schwierig die Finanzierung ist." Es sei an der Zeit, Alternativen ins Auge zu fassen.

Dem widersprach Minister Zeil: "Es gibt keinen vernünftigen, realisierbaren Plan B". Das Jahrhundertprojekt sei viel zu groß, um es an kleinkarierten politischen Streitereien scheitern zu lassen, mahnte er. Die Stammstrecke sei unverzichtbar.

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