Streit um Zukunftsaussichten:Zweifelhafte Diagnose

Der bayerische Rechnungshof wirft dem Deutschen Herzzentrum mangelnde Wirtschaftlichkeit vor - die Klinikchefs wehren sich vehement gegen die Kritik

Von Stephan Handel

Das Deutsche Herzzentrum (DHM) wehrt sich vehement gegen die Kritik des Obersten Bayerischen Rechnungshofes (ORH): Die im Jahresbericht des ORH angemeldeten Zweifel an der Wirtschaftlichkeit der Klinik bezeichnet ihr kaufmännischer Direktor Robert Siegert als "hanebüchen".

Der ORH hat die Klinik im Jahr 2011 geprüft und in den Bericht auch Zahlen der Jahre 2012 und 2013 aufgenommen. Danach ist der Überschuss von 6,6 Millionen Euro im Jahr 2007 kontinuierlich gesunken, auf 0,6 Millionen. Im Jahr 2012 schrieb das DHM sogar einen Verlust von 800 000 Euro. Daraus zieht der ORH den Schluss: "Das DHM wird mittelfristig nicht mehr in der Lage sein, Jahresüberschüsse an den Staatshaushalt abzuführen." Deshalb solle die bestehende Kooperation mit dem Klinikum rechts der Isar "ausgestaltet" und "konkretisiert" werden.

Aus der Sicht von Robert Siegert enthält der Satz aus dem ORH-Bericht zwei Dinge: Zum einen eine Fehleinschätzung über die künftige wirtschaftliche Entwicklung des DHM. Zum zweiten eine versteckte Beschreibung des Problems, mit dem das DHM im 41. Jahr seines Bestehens zu kämpfen hat. Das Zentrum ist ein Zwitterding: Plankrankenhaus zur Versorgung einerseits. Forschungsinstitution ähnlich einer Uniklinik andererseits. Und dazu ist seine Rechtsform die eines "Betriebs gewerblicher Art" des Freistaats - wie ein kommunales Schwimmbad oder die Müllabfuhr.

Streit um Zukunftsaussichten: Tagtäglich werden am DHM Dutzende Menschen am offenen Herzen operiert - etwa 10 000 werden pro Jahr stationär behandelt.

Tagtäglich werden am DHM Dutzende Menschen am offenen Herzen operiert - etwa 10 000 werden pro Jahr stationär behandelt.

(Foto: Robert Haas)

Das hat Auswirkungen auf das wirtschaftliche Handeln des DHM: Alle Erlöse fließen direkt in den Haushalt des Wissenschaftsministeriums, zu dem es gehört. Dieses hat im Jahr einen Betrag von knapp 2,5 Millionen Euro an den allgemeinen Haushalt des Freistaats abzuführen und bezahlt der Klinik sodann Mittel für Investitionen und für Forschung und Lehre. Bis zum Jahr 2012 lagen die abgeführten Mittel über den gewährten Zuschüssen oder hielten zumindest annähernd die Waage. Dass die Erlöse zurückgehen - dafür gibt es laut Siegert mehrere Gründe, die dem ORH auch erläutert worden seien, im Bericht jedoch nicht berücksichtigt wurden.

Im Jahr 2012, dem Jahr der roten Zahl, musste das DHM von drei Klinikdirektoren zwei ersetzen - Albert Schömig, Direktor der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen, ging ebenso in Pension wie John Hess, der der Kinderkardiologie vorstand. Die Berufung eines neuen Chefarztes kostet per se Geld, weil renommierte Spezialisten begehrt sind und hart um Ausstattung und Gehalt pokern können. Zum anderen bedingt eine Neu-Berufung zunächst einen Rückgang bei den Patienten-Zahlen - der Neue muss sich bei Patienten und zuweisenden Ärzten das Vertrauen erst erarbeiten. "Mit dieser Erlös-Kuhle im Jahr 2012 haben wir gerechnet", sagt Robert Siegert.

Deutsches Herzzentrum in München, 2015

Am Standort des DHM war früher das Militär-Lazarett des bayerischen Heeres zu finden. Der Neubau entstand vor 20 Jahren.

(Foto: Catherina Hess)

Außerdem, so der kaufmännische Direktor, sei das DHM ein "Konvergenz-Verlierer": Von einem lukrativen eigenen "Basis-Fallwert" bei der Abrechnung mit den Krankenkassen, sozusagen ein Haus-Tarifvertrag für die Vergütung, wurde die Klinik auf die üblichen DRGs (diagnosis related groups, die bekannten Fall-Pauschalen) umgestellt, ein Prozess, der 2008 abgeschlossen war - und die Klinik zwölf Millionen Euro gekostet hat. "Welche Institution", fragt Peter Siegert, "kann einen Verlust von zwölf Millionen verschmerzen und trotzdem noch einigermaßen positive Zahlen schreiben?"

Das alles zusammengenommen sieht die Direktion des DHM keinen Vorteil darin, näher an das Rechts der Isar heranzurücken oder gar ganz in ihm aufzugehen. "Wir treffen hier unsere Entscheidungen unter drei Leuten", sagt Siegert. "Am Rechts der Isar säßen wir in einer Konferenz mit Dutzenden Chefärzten - kaum vorstellbar, dass unsere Interessen dort vorrangig behandelt würden." Größere Erfolgsaussichten sieht er hingegen darin, dem DHM eine eigene Rechtsform zu geben, sodass es auch wirtschaftlich agieren könne - dann wären auch die vom ORH bemängelten zeitweiligen Liquiditätsprobleme erledigt, die daher rührten, dass eben alle Überschüsse zunächst ins Ministerium fließen und die Klinik selbst kein Polster für schlechtere Zeiten ansparen kann.

Das Rechts der Isar wollte sich zu der Causa nicht äußern. Das Wissenschaftsministerium von Ludwig Spaenle erklärt, es müsse geprüft werden, "ob durch ein näheres Heranrücken des DHM an das Klinikum rechts der Isar Synergien gehoben werden können". Von einer eigenen Organisationsform für das DHM ist nirgendwo die Rede. Da war der Diskussionsstand schon weiter fortgeschritten: Im Jahr 2007 brachte eine Gruppe von CSU-Abgeordneten im Landtag einen Antrag ein - die Staatsregierung solle sich "für eine eigenständige und unabhängige Rechtsform des Deutschen Herzzentrums" aussprechen. Einer der Unterzeichner war der damalige Vorsitzende des Hochschulausschusses. Er hieß Ludwig Spaenle.

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