Geschäfte:Shoppen als Wochenendspaß: Innenstädte öffnen immer häufiger am Sonntag

Verkaufsoffener Sonntag in München, 2015

Gedränge beim Shopping: Beim Stadtgründungsfest 2015 durften die Geschäfte in der City noch öffnen. Für heuer hat der Verwaltungsgerichtshof dies untersagt.

(Foto: Lukas Barth)
  • Streit um die Sonntagsöffnung: Das Gesetz sieht eigentlich Arbeitsruhe vor.
  • Allerdings gibt es davon um München herum immer mehr Ausnahmen.

Von Andreas Schubert

Ein Super-Sonntag wird das. Oder besser: Ein Super-Shopping-Sunday, an dem die ganze Region auf den Beinen sein wird. Okay, "ganz" mag vielleicht ein bisschen übertrieben sein: Aber am Sonntag, 9. Oktober, sollen in mindestens sechs Kommunen im Münchner Umland die Geschäfte offen sein. In Dachau, Dorfen, Freising, Mainburg, Vaterstetten, Wolfratshausen. Vielleicht kommen ja noch welche dazu. Und wer will, kann an diesem Super-Sunday auch gleich nach Memmingen fahren - ist von München aus ja auch nicht so weit weg.

Shoppen als Wochenendspaß: Seit einigen Jahren nimmt die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage in der Region München zu. Aber nicht nur dort: Etwa 2000 solche Veranstaltungen soll es nach Schätzungen der "Allianz für den freien Sonntag" pro Jahr in Bayern geben. Der nächste in der Region findet unter dem Motto "Fair Trade" an diesem Sonntag in Erding statt. Und auch sonst finden solche Menschen, die am Sonntag unbedingt neue Klamotten oder Möbel brauchen, ausreichend Gelegenheit, über den Sommer verteilt sonntags einzukaufen.

2000 offene Sonntage, Tendenz steigend: Das ist der Allianz, deren Münchner Ableger sich aus Kirchen- und Gewerkschaftsvertretern zusammensetzt, zu viel.

In München ist es gelungen, die Sonntagsöffnung zum Stadtgründungsfest gerichtlich zu kippen. Aber vor allem kleinere Städte und Gemeinden erhoffen sich von den Verkaufssonntagen, die in der Regel in Markttage eingebettet sind, eine Belebung ihrer Zentren. Städte wie Wolfratshausen oder Geretsried etwa, die mit rund 18 000 respektive 24 000 Einwohnern groß genug sind, dass für Einzelhandel genug Kundschaft da ist.

Aber wegen der Nähe zu München und der S-Bahn-Anbindung Wolfratshausens fahren viele Menschen zum Einkaufen gleich nach München. Dort ist das Angebot vielfältiger. In Städten wie diesen bemühen sich manche Kaufleute deshalb, ein individuelles Warenangebot vorzuhalten, das sogar Kunden aus der Großstadt anlockt, wie Ingrid Schnaller vom Werbekreis Wolfratshausen sagt. Dass aber ein verkaufsoffener Sonntag einen nachhaltigen Effekt zur Belebung des Stadtzentrums hat, kann sie nicht sagen. Gleichwohl seien die Aktionstage für den Einzelhandel ein Zusatzgeschäft.

Der Bäcker Ludwig Schmid ist der Vorsitzende der Werbegemeinschaft Procit in Geretsried, die pro Jahr zwei Marktsonntage samt verkaufsoffenem Sonntag veranstaltet. Weitere zwei - einer davon findet gleichzeitig in Wolfratshausen statt - stemmt die deutsche Marktgilde, ein Zusammenschluss von Marktbeschickern. Schmid betrachtet die Aktionssonntage als wichtig für das Image der Stadt. Dass sich die Gewerkschaft Verdi so dagegen wehrt, kann er schon verstehen. "Der Schutz der Sonntagsruhe ist ein hohes Gut", sagt Schmid. In seiner Stadt seien aber viele Läden inhabergeführt, die machten gerne auf.

Zeit, in Ruhe einzukaufen

Ähnlich sieht man das in Dachau, wo es pro Jahr vier Marktsonntage mit Ladenöffnung gibt. Susanne Reichl, die Vorsitzender Werbegemeinschaft "Leistung aus Dachau", erklärt, an diesen Sonntagen hätten die Menschen endlich mal Zeit, sich in Ruhe in Läden umzusehen und sich beraten zu lassen. Der Handel habe so die Chance, den Menschen wieder zu vermitteln, dass Einkaufen mehr Spaß macht als Online-Shopping. Den Widerstand gegen die paar offenen Sonntage im Jahr kann sie nicht verstehen. "Das ist mehr als kontraproduktiv. Soll sich Verdi doch seine Mitglieder bei Amazon holen."

Freilich hat die "Allianz für den freien Sonntag" nicht vor, sämtliche Verkaufssonntage zu stoppen. Aber ihr geht es um die Verhältnismäßigkeit und darum, dass solche Aktionen vor allem der Bevölkerung etwas bringen und nicht nur dem Kommerz dienen. Diesen Umstand sieht die Allianz, zu der auch Verdi gehört, vor allem in Aschheim gegeben. Im dortigen Gewerbegebiet hat Ende Mai wieder ein verkaufsoffener Sonntag stattgefunden, bei dem die Möbelhäuser XXXLutz und Mömax geöffnet hatten. Dagegen hat Verdi nun Klage eingereicht. Doch Aschheims geschäftsführender Beamter, Christian Schürer, meint: "Wir sehen dem Urteil gelassen entgegen."

2000 Verkaufstage

an Sonntagen gibt es in Bayern pro Jahr. Das schätzt die Initiative "Allianz für den freien Sonntag". Diese Zahl kommt zustande, wenn man die Aktionen in den einzelnen Kommunen zusammenzählt.

Gleichwohl sieht Schürer eine Wettbewerbsverzerrung. Schließlich dürfe die nahe gelegene Gemeinde Vaterstetten dem Möbelhaus Segmüller auch vier mal pro Jahr eine Eröffnung erlauben. Nachdem XXXLutz im Jahr 2009 im Gewerbegebiet Süd eröffnet hatte, ging es gleich los mit den Verkaufssonntagen in Aschheim, die in einen Markt eingebettet waren. Da dieser Markt aber nicht traditionell war, verbot das Landratsamt München den Verkaufssonntag. Mit ihrem Widerspruch unterlag die Gemeinde Aschheim 2010 vor Gericht. Dann ließ man sich eine neue Strategie einfallen. Statt eines Marktes gab es später eine "Tuning-Show", jetzt schließlich eine Oldtimer-Messe, was das Landratsamt als zulässig befand.

Und die Klage? "Wenn das Münchner Verwaltungsgericht sagt, wir dürfen nicht, dann müssen wir das akzeptieren", sagt Schürer. "Aber es muss gleiches Recht für alle gelten, wir sagen gar nicht, alle sollen aufmachen dürfen." Dann müssten eben alle Sonntagsöffnungen, bei denen die gleichen Voraussetzungen gelten, ausfallen. Als juristischer Laie mag man vermuten, dass dies ohnehin der Fall sein müsste bei einer Konstellation, von der vor allem ein Möbelhaus profitiert. Denn 2015 hatte das Bundesverwaltungsgericht Leipzig entschieden, dass in Eching kein Sonntagsverkauf mehr im Gewerbegebiet stattfinden darf - dort sitzt der Möbelriese Ikea.

Traditionelle Sonntagsmärkte sind wohl nicht in Gefahr

Sollte das Aschheimer Modell vor Gericht kippen, wird sich das voraussichtlich nicht auf traditionelle Sonntagsmärkte wie etwa in Freising auswirken. Max-Josef Kirchmaier, Vorsitzender des Werbevereins "Aktive City Freising", sieht bei den Sonntagsöffnungen in seiner Stadt einen großen Unterschied zum Echinger oder zum Aschheimer Gewerbegebiet. In Freising tummeln sich an den Marktsonntagen im Zentrum schon mal 40 000 Besucher, wie er sagt. Und hier gebe es viele kleine Läden, in die Kunden ohne großen Termindruck stöbern können.

Die Situation ist ähnlich wie in Dachau - Freising achtet darauf, das historische Zentrum am Leben zu halten. Dennoch gibt es nahe Konkurrenz: Mit dem Bus oder dem Auto lässt sich rasch der Flughafen erreichen, in dem es jeden Tag Lebensmittel, Kleidung oder sogar Haushaltswaren zu kaufen gibt. Ein "Airport Sunday Sale" quasi, an 52 Sonntagen im Jahr.

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