Streit um Kennzeichnung:Der namenlose Polizist

Die Kennzeichnung von Polizeibeamten des Unterstützungskommandos wurde im Stadtrat schon vor 40 Jahren diskutiert. OB Ude beschäftigte sich damals als Journalist mit dem Thema.

Jan Bielicki

Diesmal war die Mehrheit des Stadtrates dafür, dass Polizisten wenigstens Nummernschilder auf der Uniform tragen sollten. Doch mehr, als den Oberbürgermeister zu beauftragen, beim Freistaat für eine bessere Identifizierbarkeit der Polizeibeamten zu werben, konnten die Stadtparlamentarier am vergangenen Dienstag nicht beschließen. Nicht die Stadt, sondern allein das Land befiehlt über die Polizei.

Streit um Kennzeichnung: Nach Übergriffen von USK-Polizisten auf Fussballfans ist die Diskussion um eine Kennzeichnung der Beamten wieder aufgeflammt.

Nach Übergriffen von USK-Polizisten auf Fussballfans ist die Diskussion um eine Kennzeichnung der Beamten wieder aufgeflammt.

(Foto: Foto: Christina Pahnke)

Das war vor 40 Jahren noch anders. Die Polizeigewalt gehörte den Kommunen, und so debattierte am 4. Dezember 1968 der Polizeiausschuss des Stadtrates über einen Antrag, der Münchens Polizisten bereits damals ein Namensschildchen auf die Uniformbrust heften wollte - ausdrücklich auch als "psychologische Bremse gegen Übergriffe sowie eine Aufforderung zu mehr Zurückhaltung".

Die Antragsteller, die so für die Kennzeichnung der Beamten warben, waren dabei nun wirklich nicht jener studentischen Szene zuzuordnen, deren Mitglieder im legendären Bewegungsjahr 1968 über Münchens Straßen und vor die Wasserwerfer der Polizei zogen. Hans-Jürgen Jaeger saß für die FDP im Stadtrat, Winfried Zehetmeier, der spätere Bürgermeister, für die CSU - und niedergestimmt wurden sie von einer absoluten SPD-Mehrheit, aus der nur der spätere Bürgermeister Eckhart Müller-Heydenreich ausscherte.

SPD-Stadträte waren gegen Kennzeichnung

Die Polizei brauche solche Kennzeichen nicht, erklärten sozialdemokratische Stadträte damals, weil sie ja nicht mehr Organ des Obrigkeitsstaates, sondern eine Institution der demokratischen Gesellschaft sei. Und die Polizisten stünden ja nicht "dem Bürger schlechthin, sondern überwiegend Gesetzesbrechern" gegenüber, argumentierten die Sozialdemokraten 1968 - ähnlich wie es die Christsozialen von 2009 heute tun.

Auch die städtischen Chefpolizisten sagten damals im Stadtrat so ziemlich das Gleiche wie ihre staatlichen Nachfolger heute. "Ich sehe kein Bedürfnis nach einer Kennzeichnung", warnte Münchens Polizeipräsident Manfred Schreiber vor allzu "avantgardistischen" Entscheidungen. Dabei hatte Schreiber damals eigentlich die sogenannte und recht fortschrittliche "Münchner Linie" im Umgang mit den 1968 zahlreichen Protesten entwickelt, die darauf hinauslief, nicht gleich mit dem Wasserwerfer auf die Demonstranten draufzuhalten.

Aus dem Polizeiausschuss berichtete für die Süddeutsche Zeitung ein junger Reporter, der mit dem Kürzel cu zeichnete. Und Christian Ude sah sich prompt zu einem fulminanten Kommentar veranlasst - Überschrift: "Eine Chance ist vertan". Der Stadtrat, so der Journalist Ude, "hätte zeigen können, dass die 'Obrigkeit', die keine sein will, durchaus in der Lage ist, aus vergangenen Vorfällen angemessene Konsequenzen zu ziehen".

Doch "die Ausschussmehrheit zog Ausflüchte, Unterstellungen, niveaulose Vergleiche und schließlich Vertröstungen vor", zürnte Ude. Schließlich behaupteten viele Stadträte, nur "derzeit" nicht für die Schildchen zu sein, was den Kommentator zu dem Schluss führte: Der Stadtrat "wartet nur auf den geeigneten Zeitpunkt. Und darin hat er seit den Schwabinger Krawallen ja schon die rechte Übung."

Der Zeitpunkt kam nie, die städtische Polizei wurde staatlich. Und der heutige Oberbürgermeister wartet nun schon seit 40 Jahren auf die polizeilichen Namensschildchen.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, was Christian Ude in der SZ damals schrieb.

Der namenlose Polizist

"USK-Beamte sollen anonym bleiben" - SZ vom 17. Februar 2009

Streit um Kennzeichnung: OB Christian Ude schrieb vor 40 Jahren für die SZ, als die Diskussion über Kennzeichnung der USK-Beamten schon einmal geführt wurde.

OB Christian Ude schrieb vor 40 Jahren für die SZ, als die Diskussion über Kennzeichnung der USK-Beamten schon einmal geführt wurde.

(Foto: Foto: Catherina Hess)

Vier Jahrzehnte Pause

Mit Befremden und Empörung habe ich in der SZ gelesen, wie einseitig und polemisch dieses eigentlich geschätzte Blatt nicht nur in seiner Berichterstattung, sondern auch noch mit überflüssigen Kommentaren Partei ergreift für eine Kennzeichnung mit Namensschildern und damit für eine Diskriminierung von Polizeibeamten im Großeinsatz; ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie damit den Hütern von Sicherheit und Ordnung in den Rücken fallen und eine Lanze brechen für Radaubrüder und Krawallmacher?

Keine Angst! Dies sind nicht meine Worte. Diese Worte schallten mir vor ziemlich genau vierzig Jahren entgegen, als ich im Lokalteil nicht nur einen kritischen Bericht, sondern auch einen bissigen Kommentar zu diesem Thema schrieb.

Bemerkenswert finde ich, dass der Stadtrat damals eine Kennzeichnung mit der Begründung ablehnte, man dürfe die gerade eingetretene Ruhe nicht stören. Deshalb sei man ,,derzeit'' dagegen, grundsätzlich aber aufgeschlossen. Daraus ist dann sage und schreibe vier Jahrzehnte lang nichts geworden.

Christian Ude, Oberbürgermeister

Ein Auszug aus Christian Udes Kommentar in der SZ vom 5. Dezember 1968:

"Die Argumente für eine Kennzeichnung der Polizeibeamten - ob durch Nummern- oder Namensschilder - sind ebenso stichhaltig wie allgemein bekannt, wird doch diese Frage bereits seit den mittlerweile der Stadthistorie angehörigen Schwabinger Krawallen auf Grund immer neuer Anlässe erörtert und auch von unserer Zeitung hartnäckig behandelt.

Die Kennzeichnung wäre, wie der junge Stadtrat Jaeger (FDP), der mit Dr. Winfried Zehetmeier (CSU) den Antrag einbrachte, treffend zusammenfasste, eine psychologische Bremse gegen Übergriffe und Willkürakte der staatlichen Gewalt, sie wäre ein Beitrag zur Demokratisierung der Gesellschaft und zum Abbau falscher Animositäten.''

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