Streit um Denkmal für Michael Jackson:Moonwalk am Promenadeplatz

Münchens Michael-Jackson-Fans wollen ein Denkmal für ihr Idol. Der Stadtrat fürchtet jedoch eine "Denkmalitis". Ein erbitterter Streit ist entbrannt.

L. Eberle und F. Meyer

Der Tag der stillen Trauer beginnt für Sandra Mazur mit einem Schock. Zusammen mit einer Freundin ist sie auf dem Weg zum Promenadeplatz. Die beiden wollen zum Denkmal des King of Pop vor dem Hotel Bayerischer Hof, Trauerlichter anzünden und frische Blumen in die Vasen stecken. Sie wollen ihrem Idol gedenken und Kraft schöpfen vor dem Michael-Jackson-Fantreffen am Nachmittag.

Doch an diesem grauen Frühlingsmorgen findet Sandra Mazur keine Ruhe an der Pilgerstätte. Über Nacht hat jemand Taubenfutter über dem Denkmal ausgestreut: Unzählige Körner kleben über den laminierten Postern. Die handgeschriebenen Abschiedsbriefen sind mit Taubendreck verschmiert, die vergoldeten Engelsfiguren umgeworfen. Sabotage am Ehrenmal, Sandra Mazur ist entsetzt. Bevor das Fantreffen beginnt, bleiben nur wenige Stunden, um das Denkmal zu putzen.

Um das Michael-Jackson-Denkmal am Promenadeplatz ist ein erbitterter Streit entbrannt: Als der Popstar im Juni 2009 plötzlich starb, errichteten seine Fans über Nacht in München eine Gedenkstätte für den Sänger. An irgendeinem Ort mussten sie ihre Trauer zum Ausdruck bringen. Also klebten sie einfach eine Statue des Komponisten Orlando di Lasso mit Plakaten, Bildern und Briefen zu.

Zum Verhängnis wurde der Di-Lasso-Statue auf dem Promenadeplatz, dass Michael Jackson bei seinen Auftritten in München gegenüber in einer Suite des Hotels Bayerischer Hof übernachtete.

Jeden Tag frische Blumen und ein Herz aus roten Trauerlichtern - Orlando di Lasso könnte sich eigentlich über die Aufmerksamkeit freuen. Fans aus ganz Europa reisen an. Doch der Komponist interessiert die Pilger nicht - zwischen den Jackson-Bilder ist gerade noch Di Lassos Name zu lesen.

"Unzumutbar" sagen deshalb Gegner der Denkmalumwidmung. Popkitsch und Jackson-Bildchen wollen sie auf dem Promenadeplatz nicht sehen. Einige sabotieren daher das Denkmal, stoßen Bilder um, streuen Taubenfutter.

Ein Ende des Streits um das gekaperte Denkmal ist bisher nicht in Sicht. Dabei sehen Jackson-Fans wie Sandra Mazur das Di-Lasso-Denkmal nur als Zwischenlösung. Die Anhänger des Popstars wollen eine eigene Statue haben, einen Ort, an dem sie ihrem Idol auf Dauer gedenken können.

Mazur hat deswegen die Interessengemeinschaft "Denkmal für Michael Jackson in München" gegründet - nebst dazugehöriger Internetseite. "Wir sind dankbar für die jetzige Gedenkstätte, aber unser Wunsch ist ein eigenes Ehrenmal, eine Statue, die für 100 Jahre stehen bleiben soll", sagt sie.

Bronzefarben soll die neue Statue sein, lebensgroß, Michael Jackson in einer seiner typischen Pose. Auf den Zehenspitzen, die Hand am Hut. Oder beim Moonwalk. Der King of Pop auf dem Promenadeplatz - es wäre die erste dauerhafte Statue für den Popstar in Deutschland.

Die Fans haben der Münchner Stadtverwaltung Anfang des Jahres einen Antrag vorgelegt. Sandra Mazur und ihre Mitstreiter wollen die Statue selbst bezahlen und sie der Stadt schenken. 70.000 Euro, schätzt Mazur, werde die Statue kosten. In ihrer Freizeit sammelt sie Geld, versucht Prominente Jacko-Fans von der Idee zu überzeugen.

Die Stadtverwaltung entscheidet

Das Problem: Was auf dem Promenadeplatz aufgestellt wird, entscheidet allein die Stadtverwaltung. Und in der sind Michael-Jackson-Fans dünn gesät.

Mehr übrig für den King of Pop hat das staatliche Bauamt. Es pflegt die okkupierte Di-Lasso-Statue und duldet die Michael-Jackson-Plakate. Doch dauerhaft will es die Umwidmung des Denkmals nicht akzeptieren. Kurt Bachmann vom Bauamt in München hofft, der Hype um Michael Jackson möge bald abflauen, denn die Fanartikel werden von Tag zu Tag mehr.

"Wir wissen nicht, was wir tun sollen", klagt Bachmann. Bisher haben die Jacko-Memorabilia das Denkmal nicht beschädigt. Langfristig könnten die Poster und Blumen aber nicht auf einer fremden Statue hängen bleiben. "Es wäre das Beste, wenn es ein eigenes Denkmal für Michael Jackson gäbe."

Doch der zuständige Ausschuss im Münchner Stadtrat wehrt sich gegen den Bronze-Jackson. "In München gibt es eine Denkmalitis", sagt der SPD-Stadtrat Reinhard Bauer. Jeden Monat bekomme der Ausschuss mehrere Anträge für Denkmäler auf den Tisch. Doch die wenigsten Anträge finden in Steintafeln oder Marmorstatuen Niederschlag.

"Endgültig beschlossen ist noch nichts richtig", sagt Bauer bezüglich des geplanten Jackson-Denkmals, schließlich trete der Ausschuss nur beratend zusammen. Eine Entscheidung kann nur der Stadtrat treffen. Für völlig ausgeschlossen hält Bauer aber den Wunschstandort der Fans: "Auf den Promenadeplatz sollten nicht noch mehr Denkmäler."

Die Fans nehmen die schlechten Chancen im Stadtrat bis dato sportlich. "Wir wussten von Beginn an, dass es nicht einfach wird", sagt Sandra Mazur. Kämpfen werde sie jetzt erst recht. Mazur sammelt Unterschriften, schon mehr als 1000 Unterzeichner hat sie von ihrer Idee überzeugen können. "Die Unterschriftenliste geben wir persönlich beim Oberbürgermeister Ude ab", prophezeiht sie.

Solange bis das Denkmal steht, werden die Fans weiter zum Promenadeplatz marschieren. Sie okkupieren einfach eine Statue eines anderen geschichtsträchtigen Musikers für ihre Zwecke, als Altar für den King of Pop.

Eine hat Orlando di Lasso mit Michael Jackson gemeinsam: Schon als Knabe fiel er durch seine "helle liebliche Stimme" im Chor auf. Was Ferrante Gonzaga, den Vizekönig von Sizilien, dazu brachte, den jungen Sänger so oft zu entführen, bis er bei ihm blieb.

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