Prozess:Versicherung lässt krankgemeldeten Taxler beschatten

Lesezeit: 2 min

  • Ein Münchner Taxler hat sich vor Gericht gegen die fristlose Kündigung seiner Versicherungsverträge gewehrt.
  • Der Mann war trotz Krankschreibung Taxi gefahren.
  • Ein Versicherungsmitarbeiter hatte ihn von einem Detektiv beschatten lassen.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Krankentagegeld ist besonders für Freiberufler und Selbständige eine feine Sache: Wer gesundheitlich angeschlagen ist, muss nicht auch noch finanzielle Einbußen hinnehmen oder kann diese zumindest abmildern. Versicherungen werden allerdings rasch misstrauisch, wenn das Tagegeld allzu oft angefordert wird.

Im Falle eines Taxi-Unternehmers hat eine private Krankenversicherung sogar einen Detektiv mit Nachforschungen beauftragt - und der erwischte den Mann prompt hinter den Steuer eines Taxis. Fristlos kündigte die Assekuranz daraufhin sämtliche Verträge: Krankenversicherung, Tagegeld- und sogar die Pflegeversicherung. Damit ist sie allerdings zu weit gegangen, haben nun Richter festgestellt. Am Dienstag einigten sich die Versicherung und ihr Kunde auf die Fortsetzung der Verträge - allerdings ohne Tagegeldabsicherung.

Auf festen Touren eingesprungen

Der 59-jährige Unternehmer fährt seit Jahren in der Regel täglich mehrmals feste Touren mit einer Vielzahl von Dialyse-Patienten von deren Wohnung zum Krankenhaus und zurück. Dazwischen macht er normale Taxifahrten. Seit 30 Jahren ist der Mann bei derselben privaten Krankenversicherung. Schon 39 Mal hatte er in diesem Rahmen das Krankentagegeld beansprucht, etwa 50 Euro pro Tag.

Als sich der Mann mit ärztlichen Attesten Mitte Dezember 2013 bis Heilig Dreikönig 2014 wieder arbeitsunfähig meldete, wurde der Versicherungssachbearbeiter misstrauisch und schickte einen Detektiv los. Der beobachtete mehrmals, wie der krankgemeldete Taxler die eine oder andere Fuhre übernahm, vor allem mit den Dialyse-Patienten. Der Unternehmer gab auch alles zu. Er meinte jedoch, dass die Versicherung wegen des langandauernden Vertragsverhältnisses und der durch Personalnot verursachten Zwangslage feste Touren bedienen zu müssen, nicht berechtigt gewesen sei, alle Verträge fristlos zu kündigen.

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Verträge haben nur geruht

Das sahen auch die Richter am Landgericht so. Zwar sei Vertrauen nicht teilbar, meinten sie. Doch gehe die Assekuranz mit der Befürchtung zu weit, er könnte auch im Bereich der Kranken- oder Pflegeversicherung versuchen, auf betrügerische Weise Leistungen zu erschleichen. Das erfordere eine weitaus höhere kriminelle Energie, sagte das Gericht, weil der Versicherungsnehmer dann etwa Arztrechnungen fälschen oder im Zusammenwirken mit dem Arzt tatsächlich nicht erbrachte Leistungen abrechnen müsste. Daher sei nur die Kündigung der Krankentagegeldversicherung wirksam.

Weil auch das Oberlandesgericht München das so sieht, einigten sich beide Seiten nun vor dem 25. Senat, dass die alten Verträge formell nicht gekündigt sind, sondern "nur geruht" haben und zum 1. Januar 2016 wieder in Kraft treten. Den Streitwert setzte das Gericht bei knapp 31 000 Euro fest.

© SZ vom 09.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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