Streit bei Münchner SPD:Parteirat will Stolpersteine doch zulassen

  • Nicht einmal drei Wochen nach dem Kompromiss zwischen den Stadtratsfraktionen von CSU und SPD hat der SPD-Parteirat am Mittwochabend ein Votum verabschiedet, doch noch Stolpersteine auf öffentlichen Straßen zuzulassen.
  • Der Beschluss des sogenannten Kleinen SPD-Parteitags konterkariert die gemeinsame Haltung des schwarz-roten Rathausbündnisses.

Von Dominik Hutter

In der Münchner SPD ist ein offener Konflikt über den Umgang mit Stolpersteinen ausgebrochen. Nur drei Wochen nach dem Kompromiss zwischen den Stadtratsfraktionen von CSU und SPD hat der SPD-Parteirat am Mittwoch ein Votum verabschiedet, doch noch Stolpersteine auf öffentlichen Straßen zuzulassen - vorausgesetzt, Angehörige oder Opfergruppen wünschen sich diese umstrittene Form des Gedenkens. Der Beschluss des sogenannten Kleinen SPD-Parteitags konterkariert die Haltung des schwarz-roten Rathausbündnisses, das mit Rücksicht auf die Israelitische Kultusgemeinde das Verbot der Stolpersteine aufrechterhalten wollte.

SPD-Fraktionschef Alexander Reissl, der seinen Unmut über das Votum nur schwer zurückhalten kann, befindet sich nun in einer schwierigen Situation. Die CSU dürfte es kaum goutieren, wenn der Bündnispartner einen Rückzieher macht - geplant war stets, in dieser schwierigen Frage einen breiten Konsens zu finden. Allerdings ist keineswegs sicher, dass die SPD-Fraktion das Paket noch einmal aufschnürt. "Eigentlich hat sich die Situation nicht verändert", sagte Reissl am Tag nach dem Parteitreffen. Denn bereits 2010 hatte sich ein Parteitag der Münchner SPD für Stolpersteine ausgesprochen.

Fraktion setzt sich über Beschluss hinweg

Über diesen Beschluss, der eigentlich immer noch gilt, hatte sich die Fraktion bereits bei ihrem Kompromiss mit der CSU hinweggesetzt. Die SPD-Fraktion soll nun am Montag über Konsequenzen aus dem neuen Votum beraten. Da der gemeinsame Antrag mit der CSU das Ergebnis langer Debatten war, glaubt Reissl nicht, dass der Parteibeschluss automatisch umgesetzt wird. Dies müsse aber die Fraktion entscheiden. Blieben die Stadträte bei ihrer Linie, dürfte dies in der Partei große Verärgerung auslösen. Zwar betonte SPD-Chefin Claudia Tausend, es gebe kein imperatives Mandat, die Stadträte seien frei in ihren Entscheidungen. Sie erwarte dennoch, dass "die Fraktion das Votum ernst nimmt".

Die Stimmung ist schon länger gereizt

Die Stimmung unter den Sozialdemokraten ist beim Thema Stolpersteine schon länger gereizt. Formal hätte das Votum von 2010 keiner Bekräftigung bedurft. Dass es trotzdem dazu kam, zeigt den Unmut vieler Genossen über die Fraktion, die die Parteilinie einfach ignoriert hat. Auch Tausend hat für Stolpersteine gestimmt. Offenbar fühlt sich die Partei von den Genossen im Stadtrat schlecht informiert: Eine frühere parteiinterne Abstimmung, also vor Bekanntgabe des Kompromisses mit der CSU, sei unmöglich gewesen, sagte Tausend. "Wir hätten das vorher gemacht, wenn wir es rechtzeitig gewusst hätten."

Der Kompromiss von CSU und SPD sieht vor, keine Stolpersteine, dafür aber Wandtafeln oder Stelen an den Wohnhäusern der Opfer anzubringen und zudem ein zentrales Mahnmal zu errichten. Über die Tafeln sollten nur Angehörige entscheiden. Die Mehrheit des SPD-Parteirats fürchtet aber, dass bei diesen Vorgaben viele Opfer nicht berücksichtigt werden: Homosexuelle, Sinti und Roma sowie die Euthanasie-Opfer, die oft keine Nachkommen hätten. Daher sollen auch Opfergruppen Anträge stellen dürfen. Die Formen des Erinnerns seien "stark vom persönlichen Empfinden abhängig", sagte Tausend. Für viele seien Stolpersteine eine gute Form. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) mahnte einen "möglichst breiten Konsens" an. Das knappe Parteiratsergebnis von 28 zu 22 Stimmen zeige, wie unterschiedlich die Meinungen in der SPD sind. Man solle "auf Augenhöhe" aller Opfer gedenken, egal, ob sie Angehörige haben oder nicht. Damit dürften Stelen und Tafeln gemeint sein, nicht Stolpersteine.

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