Strafprozess:"Tacho-Mafia" wegen manipulierter Kilometerzähler angeklagt

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  • Die "Tacho-Mafia" manipulierten jahrelang Kilometerzähler, um Gebrauchtwagen teurer zu verkaufen.
  • Tachostände wurden zurückgedreht, sodass der Wert der Autos binnen Sekunden um Tausende Euro stieg.
  • Vor Gericht wird klar: Für die Käufer hätte das tödlich enden können.

Von Christian Rost

Die Manipulationen an Gebrauchtwagen hatten dermaßen Überhand genommen, dass die Münchner Polizei 2011 eigens eine " Ermittlungsgruppe Tacho" einsetzte. Die Beamten nahmen die Autoszene genau unter die Lupe - und stachen in ein Nest: Nach einer Durchsuchung von mehr als 150 Wohnungen und Werkstätten wurden gegen 90 Beschuldigte Ermittlungsverfahren eingeleitet. Sie sollen die Kilometerstände von Gebrauchtwagen und Leasingfahrzeugen im großen Stil frisiert haben.

Zur sogenannten Tacho-Mafia sollen auch fünf Personen rund um eine bulgarische Familie gehört haben, die in Garching-Hochbrück und ihrem Heimatland mit Autos handelten. Seit diesem Mittwoch müssen sich die 30 bis 58 Jahre alten Männer am Landgericht München I verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Missbrauch von Wegstreckenzählern und gewerbsmäßigen Bandenbetrug vor.

Betrug auf mehreren Ebenen

Die Anklage geht davon aus, dass das Quintett von 2008 bis 2011 auf mehreren Ebenen betrügerisch aktiv war. So sollen die Angeklagten mindestens 23 Fahrzeuge mit hohem Kilometerstand gekauft haben. Die Tachostände wurden dann von Helfershelfern, die die notwendige Hard- und Softwareausrüstung dafür haben, zurückgedreht, sodass der Wert der Autos binnen Sekunden um Tausende Euro stieg.

Bei einem VW Touareg, der bereits eine Laufleistung von 215 000 Kilometern hinter sich hatte, waren es nach der Manipulation nur noch 147 000 Kilometer. Damit konnten die Händler angeblich 4800 Euro mehr erzielen beim Weiterverkauf. Käufer fanden sie häufig über ihre Inserate in Internetportalen. Ein alter Saab, der um 50 000 Kilometer verjüngt wurde, brachte immerhin noch 1000 Euro über dem tatsächlichen Wert ein.

Marode Bremsen, überfällige Wartung

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Miltcho I., 58, seine beiden Söhne sowie zwei weitere Beteiligte auch Fahrzeuge ankauften, die, wie sie gewusst haben sollen, bereits kilometermäßig frisiert worden waren. In anderen Fällen drehten sie auf ihrem Firmengelände in Garching Kunden vollkommen heruntergefahrene Wagen an, die längst hätten gewartet werden müssen. Als Anfang März ein Mann für 11 000 Euro ein Mercedes Benz CLK Coupe erstand, ahnte er nicht, dass die Bremsen komplett marode waren. Die mutmaßlichen Betrüger erfüllten also so ziemlich alle Klischees, die über Gebrauchtwagenhändler im Umlauf sind.

Vor Gericht machten die Angeklagten zunächst keine Angaben, ihre Verteidiger wollten mit der 2. Strafkammer erst ausloten, ob Geständnisse mit milderen Strafen honoriert würden. Das Rechtsgespräch zog sich bis in den Nachmittag hinein. An neun Tagen soll noch gegen die mutmaßlichen Tachodreher verhandelt werden.

ADAC warnt vor tödlichen Folgen

Der ADAC hat die verbotenen Tachotricksereien an Gebrauchtwagen einmal als eine "Art kriminellen Volkssport" bezeichnet. Die Münchner Polizei rechnete aus, dass bei bundesweit rund einem Drittel aller Gebrauchtwagen die Tachos um mindestens 30 000 Kilometer zurückgedreht wurden, um mit den so verjüngten Wagen höhere Preise zu erzielen. Dabei können Manipulationen an der Fahrzeugelektronik gravierende Auswirkungen haben: Airbags lösen unvermittelt aus, Antiblockiersysteme greifen nicht mehr. Tödliche Folgen kann das haben, und das nur wegen ein paar tausend Euro Mehrwert.

© SZ vom 22.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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